und der sizilianische Dieb
hatte er mehrmals benommen wiederholt.
Es gab wahrhaftig eine Menge Dinge, die neu bewertet werden mußten, fand auch Mrs.
Pollifax, während sie im Garten saß. Sie hatte ihr heimliches Unbehagen über manche Vorgänge in der Villa Franca nur zeitweilig verdrängen können. Auch sie bedurften einer neuen Bewertung. Farrell seinerseits würde seine bisherigen Szenarios - um sein Wort zu benutzen - neu überdenken müssen. Er brauchte eines, um Aristoteles aus dem Verkehr zu ziehen, ehe es zu einem neuerlichen Anschlag kam.
Offenbar hatte Farrell aufs falsche Pferd gesetzt, was immer ärgerlich war, und eine Reihe von Dingen hatten ihm zugesetzt: eine Hexe, eine entzündete Knöchelverletzung, die Befürchtung, er könne den Verstand verloren haben, weil außer ihm anscheinend niemand eine prähellenische Vase gesehen hatte.
Außerdem hatte er sich verliebt, was stressig genug war. Und nun mußte er in seinen Szenarios auch noch die Hauptperson austauschen: statt Ambrose Vica Raphael - Raphael mit seinem aalglatten Pokergesicht und dem irgendwo in seinem Haus versteckten Cäsar-Dokument und seinen unerwarteten Logiergästen: Aristoteles und seine Frau.
Zwei reiche und gefährliche Männer, dachte sie. Der eine hatte Aristoteles zum Essen eingeladen, der andere gewährte ihm Unterschlupf.
Auch ich muß mir ein Szenario einfallen lassen, wenn ich Farrell, wie versprochen, helfen will, dachte sie. Und zweifellos weiß ich von uns beiden besser, wie gefährlich Aristoteles ist.
Er hätte mich in Sambia erschossen, wenn nicht Cyrus - lieber Cyrus - sich auf ihn gestürzt und ihn zu Boden geworfen hätte!
Sie seufzte und öffnete ihr Buch. Ab sofort wurde Sizilien zur zentralen Operationsbasis für römische Angriffe auf die karthagischen Kräfte im Mittelmeerraum. Von hier aus brach Scipio 205 v. Chr. nach Afrika auf, um Karthago zu unterwerfen, und Hannibal...
Aber wir haben jetzt nicht zweihundertfünf vor Christus, dachte sie. Sizilien ist keine »zentrale Operationsbasis« mehr, sondern ein vernachlässigtes Anhängsel von Italien, allein gelassen in der mediterranen Sonne mit seinen berühmten Ruinen, seiner kriegerischen Geschichte und seiner Armut. Und auch wenn Franca einem kleinen Dorf zum Blühen und Gedeihen verhilft, muß es noch Dutzende - Hunderte zweifellos - geben, die in tiefster Hoffnungslosigkeit leben.
Aus der Küche hörte sie Stimmen, Farrell wünschte Igeia einen guten Morgen. Sie selbst hatte noch keine Lust, sich mit ihm in ein Gespräch einzulassen. Momentan interessierte sie sich mehr für einen alten Mann, der mit einem Hocker und einem Korb vom Dorf den Hügel heraufgekommen war. Er verschwand nun hinter einem Olivenbaum, tauchte wieder auf, stellte seinen Hocker ab und prüfte dessen Stabilität, ehe er sich draufsetzte und den Korb neben sich stellte. Sie beobachtete ihn, wie er ein Stückchen Papier zum Vorschein brachte, Tabak darauf gab, es zusammenrollte und, nachdem er es angezündet hatte, ein paar Züge machte. Er lächelte, drückte die Zigarette vorsichtig aus und steckte sie in eine Tasche seiner schäbigen Weste. Erst dann langte er in seinen Korb und - aber was, wunderte sie sich, hatte er im Schatten des Baumes vor, so allein und ungestört in der friedlichen Stille, wie er sie vielleicht im Dorf nicht vorfand? Er sah sie nicht. Sie beobachtete ihn fasziniert, während er methodisch den Korb auspackte. Als dessen Inhalt rings um ihn auf dem Boden stand - Tiegelchen verschiedener Größe, Pinsel und Messer -, rutschte er vom Hocker auf den Boden und machte sich daran, alle diese Dinge auf den Hocker zu heben, während er mit verschränkten Beinen auf dem Boden sitzen blieb. Nun wählte er einen Pinsel und einen der kleinen Behälter aus und begann, über etwas gebeugt - das aus dieser Entfernung gesehen eine Schnitzerei sein mochte - zu arbeiten. »Also das möchte ich mir ansehen«, murmelte sie und schlenderte durch den Garten und über die Auffahrt hinüber zu dem Mann.
»Signor«, sagte sie höflich. Er blickte auf. Sein dunkles Gesicht war wie mit einem Netz feiner Linien durchzogen. Er lächelte sie an und entblößte dabei mehrere Zahnlücken. Es war ein herzliches Lächeln, und er begrüßte ihr Erscheinen mit begeistertem Kopfnicken und einem Schwall unverständlicher Worte. Sie nickte ebenso erfreut zurück, und da sie fand, daß damit ein Kontakt hergestellt war, wandte sie den Blick seiner Arbeit zu - und erstarrte prompt vor Erstaunen.
Er hielt auf seinem
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