und der sizilianische Dieb
dem Ganzen ein Ende machen sollte. Weil es ihnen nicht gefiel, daß ich gestern statt auf ihn auf Sie geschossen hab'. Weil ihnen, nachdem sie gehört hatten, daß Sie mich kennen, gar nicht gefiel, daß ich Sie nicht getroffen hab'.«
»Aus der Übung vielleicht«, sagte sie trocken. »Sie haben mich verfehlt.«
»Aus der Übung?« wiederholte er verärgert. »Soll ich's Ihnen zeigen? Bringen Sie mich hinaus, geben Sie mir ein Gewehr, dann zeig' ich Ihnen schon, wer aus der Übung ist!« Er nahm einen Löffel Minestrone und genoß sie sichtlich. »Jedenfalls hab' ich sie darüber reden hören. Also bin ich hinaus, hab' ein Auto gefunden, in dem der Zündschlüssel steckte, und bin losgefahren. Sie haben es gehört und sind mir nach. Hab' sie etwa zwei Kilometer von hier abgehängt, aber...« Er zuckte die Schultern. »Wissen können sie's nicht, aber vermuten werden sie's.«
In dem einsetzenden Schweigen dachte Mrs. Pollifax über diese beunruhigende Neuigkeit nach. »Ich würde an deren Stelle die Flughäfen und Fähren überwachen.«
Ruhig entgegnete er: »Kein Geld, keinen Paß. Und ich hab' Sie verschont!«
»Ist das ein Freundschaftsangebot?«
Er schüttelte sich bei dieser Vorstellung und bedachte sie mit einem Blick pursten Hasses.
Sie würde es anders angehen müssen. Und als sie sich erinnerte, mit welch peinlicher Sorgfalt er die Pläne für seine Anschläge immer ausgearbeitet hatte, beschloß sie, sich diese groteske Fähigkeit zunutze zu machen.
»Dann sagen Sie mir doch, Mister Bimms, was Sie tun würden, wenn Sie Mister Raphael wären?«
»Raphael!« Er stieß dieses Wort voll Verachtung hervor, aber sie hatte ins Schwarze getroffen. Seine Augen wirkten nicht mehr steinern, sondern nach innen gekehrt. Er dachte über ihre Frage nach, und es war unverkennbar, daß Aristoteles es liebte, zu planen. Nach einer Weile sagte er: »Was ich jetzt tun würde - aber sie sind nicht ich«, fügte er selbstzufrieden hinzu. »Doch so wie ich sie und ihre Methoden kenne - pah! -, werden sie bis Einbruch der Dunkelheit warten und dann mit Gewalt vorgehen.
Gewalt«, wiederholte er abfällig. »Diese beiden Revolverhelden plump. Ohne jede Finesse!
Kennen das Wort Vorbereitung überhaupt nicht!«
Bei diesem Thema ging Aristoteles aus sich heraus. »Haben Sie so«, fragte sie im Plauderton, »Ihre - ah - Anschläge geplant? Mit Finesse und guter Vorbereitung?«
Seine Augen leuchteten erfreut auf. »Ich nahm mir Tage, Monate dafür... Um Perfektion zu erreichen, muß man Nachforschungen betreiben und bis in die geringste Einzelheit planen.
Das war das Faszinierende!«
»Und das Töten?« fragte sie erschüttert.
»Ist nur die Bestätigung der Perfektion«, antwortete er gleichgültig. »Das Planen - das ist die Herausforderung! Dazu gehört Kreativität. Äußerste Sorgfalt. So viel muß einkalkuliert werden: Schußlinie, Entfernung, die richtige Waffe, die Verkleidung, der Fluchtweg. Timing muß genau stimmen, muß mathematisch ausgearbeitet werden wie eine Rechenaufgabe...
ja, wie eine Rechenaufgabe. Stundenlange Berechnungen. Am Computer. Das liebe ich.«
»Sie empfanden gar nichts dabei, wenn Sie jemanden töteten?«
Er blickte sie verständnislos an. »Töteten? Ich habe sie erschossen, das war alles, wozu ich beauftragt wurde dafür hat man mich bezahlt.«
Mrs. Pollifax fröstelte. Sie wollte eigentlich gar nichts mehr hören, aber eine Frage mußte sie ihm noch stellen. »Waren Sie in der Strafanstalt in Einzelhaft?«
Der Hauch eines Lächelns umspielte seine Lippen. »Dafür habe ich schon gesorgt!«
Sie nickte, stand auf und nahm ihm das Tablett ab. Brüsk sagte sie: »Die zuständigen Stellen sind verständigt. Sie werden nicht lange warten müssen.« Erleichtert sah sie, daß Nito die Treppe herunterkam.
»Geht es Ihnen nicht gut?« fragte er überrascht, als er ihr Gesicht sah.
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie und dachte: Morde wie Rechenaufgaben, die Opfer nur Nummern ohne Persönlichkeit, ohne Wärme, ohne Herz... Aber natürlich sind Zahlen, im Gegensatz zu Menschen, unpersönlich, zuverlässig, berechenbar, stabil und vor allem ordentlich. Jetzt war ihr wirklich übel. »Ich brauche bloß frische Luft«, versicherte sie Nito.
Sie ging hinauf, um den anderen das Wichtigste zu berichten, das sie von Aristoteles erfahren hatte: daß Raphael höchstwahrscheinlich wußte, wo er sich aufhielt, und er vermutlich versuchen würde, Bimms mit Gewalt zurückzuholen, sobald es dunkel
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