und der verschwiegene Verdacht
während des Abendessens. Sie wäre ohne nachzudenken sein williges Werkzeug geworden. Und wenn sie als Fremde schon eine solche Ergebenheit für ihn empfand, wie loyal und entschlossen mussten da erst seine Angestellten sein? »Fahren Sie doch bitte fort«, sagte sie.
»Lex kam also an, seine Band im Gefolge, und weit und breit kein Grayson, den man überraschen konnte. Also haben sich die Typen über seinen Cognac hergemacht, danach zogen sie ins Dorf hinunter zur Bright Lady.«
»Zu dem Pub in Penford Harbour?«
»Genau, da wo wir jetzt auch hingehen. Die Mitglieder der Band legten noch mit ein paar Bier nach, dann enterten sie Graysons Yacht und fuhren mit ihr in einen der schlimmsten Stürme hinaus, den Cornwall in den letzten fünfzig Jahren erlebt hatte.
Keiner von ihnen konnte segeln, und die Yacht war in keinem guten Zustand. Es war ein Wunder, dass sie das verdammte Ding überhaupt flottbekommen hatten. Und dann kam es, wie es kommen musste: Wer sich in die Untiefen dort hinaus wagt, der kann hinterher meist nicht mehr selbst davon erzählen.«
»Das Schiff ist verunglückt?«, fragte Emma.
»Total zertrümmert. Die Mitglieder der Band …«
Derek presste die Lippen zusammen. »Man hat sie natürlich gesucht. Grayson kam umgehend von seiner Reise zurück, um ebenfalls eine Suche zu veranlassen, aber die Strömungen dort draußen sind berüchtigt, selbst bei schönem Wetter. Und in dem Sturm …« Derek schüttelte den Kopf. »Sie könnten inzwischen bis nach Spanien getrieben sein.«
Emma zog ihre Strickjacke enger um sich. »Und die Pressemeute machte Grayson das Leben schwer …«
»Für die war es ein gefundenes Fressen«, sagte Derek. »Umstrittener Popstar kommt auf schadhaf-ter Yacht eines Aristokraten um – die Regenbogenpresse war in ihrem Element. Schließlich gab es zum Glück wieder ein Skandälchen im Bucking-ham-Palast, der das Interesse an der Geschichte hier etwas abebben ließ, aber nicht ehe ein besonders tüchtiger Journalist noch herausgefunden hatte, dass Lex praktisch bettelarm gestorben war.«
Emma war nicht weiter überrascht. Die Geschichte klang sehr vertraut – allzu viele Rockmusiker lebten ihr Leben auf der Überholspur und gaben ihr Geld schneller aus, als sie es verdienten. Doch dann runzelte sie die Stirn und blieb stehen.
»Bettelarm?«, wiederholte sie. Sie schlug nach einer Fliege, die ihr um den Kopf schwirrte. »Wor-
über machen wir uns dann Gedanken? Wenn Lex pleite war, warum sollte Grayson dann …« Sie zö-
gerte, ehe sie kleinlaut den Satz beendete: »… warum sollte er dann das getan haben, was Sie denken?«
»Genau da liegt der Hund begraben.« Derek spähte vorsichtig in den Wald zu beiden Seiten des Pfades, ehe er sehr leise sagte: »Lex’ Bücher, ich meine, seine Finanzbuchhaltung soll ziemlich undurchsichtig gewesen sein. Das war es auch, was den Verdacht in erster Linie geschürt hatte. Niemand schien zu wissen, was er mit seinem Geld gemacht hat, verstehen Sie?«
Emma nickte.
»Die Presse verlor aber bald das Interesse daran, und ich auch. Aber nicht Susannah.« Derek sah sich wieder um, dann näherte er den Mund Emmas Ohr. Seine Stimme war zu einem Flüstern geworden. »Sie hatte da so einen Typ kennen gelernt, einen Banker, den ich zufällig auch kenne. Ein sehr pingeliger, akkurater Mensch. Sammelt Schmetter-linge. Susannah bat ihn, der Sache ein wenig nach-zugehen, und nach einiger Zeit erzählte er, dass Lex’ Finanzen tatsächlich recht undurchsichtig gewesen seien. Es war nichts, was man auf den ersten Blick gesehen hätte. Er sagte nur, dass er das merkwürdige Gefühl habe, es gehe da nicht alles mit rechten Dingen zu.«
»Aber wie könnte Grayson …«
»Die Bücher fälschen? Weiß ich auch nicht.
Trotzdem ist es seltsam.«
Emma musste ihm Recht geben. Als sie wieder weitergingen, sagte sie leise: »Nur gut, dass Susannahs Freund nicht mit den Zeitungsleuten gesprochen hat.«
»Winslow?« Derek schnaubte empört. »Der hält dicht. Wir sind zusammen in der Schule gewesen. Und er ist noch immer derselbe: Wenn etwas keine Flügel und Fühler hat, interessiert es ihn nicht weiter.«
»Wahrscheinlich hat sich Susannah auch deshalb an ihn gewandt. Wenn sie an Erpressung gedacht haben sollte, dann wäre ihr nicht daran gelegen, dass ihr Verdacht bekannt wird«, überlegte Emma.
In ihrem Kopf überschlugen sich die Fragen. Hatte Grayson Lex vielleicht sogar nach Penford Hall gelockt? War das Schiffsunglück geplant
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