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und der verschwiegene Verdacht

und der verschwiegene Verdacht

Titel: und der verschwiegene Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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tiefstem Herzen kam. »Ich vermute, das bedeutet, dass ich Ihnen keine Ohrfeige verpas-sen kann«, sagte sie wie zu sich selbst. Dann lächelte sie: »Es ist okay, Derek. Jetzt gehen Sie ins andere Zimmer hinüber und warten, bis ich etwas angezogen habe.«
    Schnell schlüpfte Emma in ihre graue Hose und den blauen Pullover, hängte den Rest ihrer Sachen wieder in den Schrank und ging zu Derek ins Schlafzimmer. Er saß auf der Sessellehne und studierte eine Zeichnung aus der alten Mappe.
    »Ich hatte Ihnen ja schon gesagt, dass das Haus der reinste Karnickelbau ist«, sagte er. »Ich wollte mir ja eigentlich Zeit nehmen, um alles auszukund-schaften, aber wie die Dinge nun liegen, musste ich mich beeilen.« Er reichte ihr die Zeichnung. »Hier, die kommentierte Ausgabe.«

    »Geheime Gänge?«, fragte Emma und fuhr mit der Fingerspitze eine mit roter Tinte gezogene Linie entlang.
    »Die meisten davon sind auf den alten Plänen nicht eingezeichnet, und auf den neuen sind gar keine. Wollen Sie mal sehen, was ich gefunden ha-be?«
    Als Antwort schaltete Emma das Licht aus, ging mit der Taschenlampe voraus zum Kleiderschrank, wo sie zur Seite trat, um Derek den Vortritt zu lassen. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat sie durch die Öffnung in der Rückwand des Schranks, dann wartete sie, bis Derek die Holzplat-te wieder an ihren Platz geschoben hatte. Um sie war völlige Dunkelheit, und Derek sagte mit leiser, gespannter Stimme: »Sie werden es nicht glauben.«

18
    DIE LICHTKEGEL ihrer Taschenlampen tanzten einen gespenstischen Pas de deux auf den glatten Wänden, und ringsum herrschte absolute Stille.
    Kein Windhauch durchdrang die muffige Luft, kein Blitz durchzuckte die Dunkelheit. Mochte das be-vorstehende Gewitter das Haus in seinen Grundfes-ten erschüttern – diesen innersten Kern von Penford Hall würde es nicht erreichen.
    Das riesige Gebäude um sie herum lag in tiefem Schlaf, und vor ihnen erstreckte sich ein endloser Gang. Der Boden war trocken und eben und die Decke hoch genug, dass Emma aufrecht gehen konnte; Derek, der neben ihr ging, musste sich jedoch etwas bücken. Sie hielten die Taschenlampen auf den Weg vor sich gerichtet, die dicken Steinmauern verschluckten jeden Laut.
    »Ich vermute, die Burg hatte ein ganzes Netzwerk von unterirdischen Gängen wie diesen«, sagte Derek. »Graysons Vorfahren haben wahrscheinlich ihre Beute darin versteckt.«
    »Aber ich dachte, der erste Herzog hätte die Pira-terie aufgegeben«, wandte Emma ein.
    »Und was hat er dafür bekommen? Einen Titel und ein Stück Land, auf dem man nichts anbauen kann. Alte Gewohnheiten sterben nur schwer aus, Emma, und essen muss man auch. Ich gehe jede Wette ein, dass der alte Schurke das Piratenleben lediglich gegen Schmuggel und hier und da ein bisschen Strandräuberei eingetauscht hat.«
    In früheren Zeiten stellte Strandräuberei eine Berei-cherung für die Wirtschaft vieler Küstenorte dar. In einigen war »Schiffbruch« sogar zu einer Form von Lebensunterhalt geworden. Emma hatte schaurige Geschichten gelesen, wie man mit Feuern auf den Klippen Schiffe ins Verderben lockte und die Seeleute ertrinken ließ, während man ihre Schiffe ausplünderte. »Die Untiefen hätten dieses Gewerbe zumindest begünstigt«, pflichtete sie ihm schaudernd bei.
    »Ich bin ja sehr dafür, dass Familientraditionen fortleben«, meinte Derek trocken, »aber man kann es auch übertreiben. Aha, wir sind ja schon da.«
    Der Strahl seiner Taschenlampe beleuchtete eine schmale Öffnung auf der rechten Seite, wo eine Wendeltreppe nach oben in die Dunkelheit führte.
    »Die geht von den tiefsten Kellergewölben bis ins Dach hinauf«, erklärte er. »Dieser Gang und noch ein paar weitere führen darauf zu, und weiter oben sind mindestens vier Räume damit verbunden.«
    »Klingt ja wie eine Hauptverkehrsader«, sagte Emma.
    »Sie ist allerdings lange nicht benutzt worden. Ich habe Stunden damit verbracht, die Scharniere an allen Türen zu ölen und wieder gängig zu machen.«
    Er deutete mit dem Kinn nach oben. »Dort oben liegt unser erstes Ziel.« Emma wollte schon losge-hen, aber Derek hielt sie zurück. »Warten Sie. Erst müssen wir die Lampen ausmachen.«
    »Ich soll meine Taschenlampe ausknipsen?«
    Emma sah angestrengt in die Dunkelheit.
    »Ich fürchte, ja. Es ist die einzige Möglichkeit, wie wir sehen können, ob unter einer der Türen Licht hervorscheint. Wenn das so wäre, dann könnte das bedeuten, dass jemand auf der anderen

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