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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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wollte. Ein wenig Melancholie mischte sich in ihre euphorischen Träume. Ihr war nach Lachen und Weinen zumute.
    «Menschenskinder, seht ihr ernsthaft aus!» sagte eine heitere Stimme, und Nell blickte auf. Walter und Alice standen vor ihnen, Arm in Arm.
    «Hallo», sagte sie verwirrt und mußte einen Augenblick scharf nachdenken, bevor sie die beiden erkannte.
    Walter wies mit der freien Hand auf Alice. «Ich hab sie endlich überredet, mal ’ne Stunde frei zu nehmen. Sie meint, die sind alle tot, wenn sie zurückkommt.» Er lachte breit.
    Tatsächlich, Alice kicherte. Sie schien nicht ganz so streng diszipliniert wie sonst. Taffy sprang auf und schob Alice auf seinen Platz. Walter wandte sich zum Eingang des Lokals und sagte: «Was trinkst du denn da, Nell? Egal, was es ist, gieß es weg und trink ’n Whisky.»
    «Nein, nein!» Aber Walter und Taffy waren schon verschwunden.
    Alice legte ihre Rechte auf Nells Hand. «Was ist los, Kleine? Du denkst an Tom, was?» Die Stimme klang weich und zärtlich.
    Nell sah sie so überrascht an, daß Alice sagte: «Keine Angst, ich werd nicht sentimental in meinen alten Tagen. Es ist bloß der Whisky.»
    Benbow grübelte über etwas nach, was er vor fünf Minuten aufgeschnappt hatte. Er sagte: «Mam, du kannst Mr. Evans doch gar nicht heiraten, nicht? Du bist doch schon verheiratet.»
    Verlegenes Schweigen. Alices Hand lag immer noch auf Nells, warm und freundschaftlich. Jetzt drückte sie Nell die Hand, und Nell hörte sich plötzlich sagen:
    «Taffy hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden will.»
    Alice schwieg.
    «Aber das kann ich doch nicht. Wegen — wegen Tom, und wegen der beiden Alten.»
    Befriedigt lehnte sich Benbow zurück. Er hatte es ja gewußt. Aber Alice sagte ruhig:
    «Was haben die damit zu tun?»
    «Na, ich...»
    «Tom war mein Bruder, und er hat mir sehr nahegestanden. Aber - heute ist er eine zerfetzte Uniform und eine Handvoll Knochen, irgendwo in Frankreich. Eine schöne sentimentale Erinnerung...»
    Wieder hörte Nell sich entgegnen: «Ja - und ein Mann, den ich immer heben und achten werde. Und mein verstorbener Ehemann. Und ein Mann, der für sein Vaterland gefallen ist.»
    «Verzeih mir, Nell.»
    «Schon gut, Alice. Ich weiß ja, du meinst es gut.»
    «Ja, aber laß wenigstens meine Eltern aus dem Spiel. Die geht das überhaupt nichts an.»
    «Doch, Alice, doch. Sie sind gut zu mir gewesen. Ich hatte ein Zuhause bei ihnen —»
    «Blödsinn. Sie hatten ein Mädchen für alles, gratis und franko, und dazu noch das Bewußtsein, sich so richtig schön christlich benommen zu haben.»
    Nell legte jetzt ihre Hand auf Alices Hand. «Du bist sehr nett zu mir.» Sie seufzte. «Aber es hat keinen Zweck. Es ginge ja auch gar nicht — wo sollten wir denn wohnen?»
    «Na, zu Haus natürlich», sagte Alice ohne zu zögern.
    Nell warf ihr einen erschrockenen Blick zu. «Zu Hause? Bei deinen Eltern? Da soll ich Taffy hinbringen? Sie können ihn doch nicht ausstehen.»
    «Soviel ich weiß, kennen sie ihn überhaupt nicht. Hör zu, Nell, ich komme heute abend mit dir nach Haus und erzähle ihnen, was los ist.»
    Jetzt erschrak Nell wirklich. «Nein, Alice, das geht nicht. Das kann ich nicht. Und außerdem - ich weiß noch gar nicht richtig, ob ich ihn heiraten will. Außerdem muß ich jetzt unbedingt nach Hause. Spätestens um zehn, hat dein Vater gesagt.»
    «Du liebe Zeit! Am Waffenstillstandstag? Du bleibst heute abend bei uns, Nell. Wir werden dich schon beschützen.»
    Jetzt kamen Walter und Taffy mit dem Whisky. Er schmeckte noch scheußlicher als das Bier, aber er brachte Nells Bedenken zum Schweigen. Sie tanzte sogar fröhlich mit Taffy auf dem Platz vor dem , und Walter tanzte mit Alice. Nur Benbow tanzte nicht, er saß zusammengekauert auf der Bank und träumte von Kaiser Bill, während sein Vater in flandrischer Erde den traumlosen Schlaf der Ewigkeit schlief.
     

7
     
    Oma setzte Nell eine Frist bis halb elf; dann ging sie empört selber in die Küche und machte sich ihren Schlaftrunk.
    «Halb elf», sagte sie, als sie zu Opa zurückkam. «Halb elf, und sie ist noch nicht zu Hause. Das geht doch wirklich nicht, Will.»
    «Du solltest schlafen gehen», meinte er. «Hat keinen Zweck, daß wir beide die halbe Nacht aufbleiben.»
    «Ich hätte wirklich gedacht-» Omas Stimme brach. «Ich hätte wirklich gedacht, sie würde gerade heute zu Hause bleiben wollen, hier bei uns sitzen und an früher denken.»
    «Man will ja gar keinen Dank und

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