Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
Vom Netzwerk:
erlebt.
    Der Scheiterhaufen war nun heruntergebrannt, die Menge begann sich zu verlaufen. «Komm mit», sagte Taffy, «wir suchen uns ein Pub. Wir probieren es mal im , ja?»
    Nell Dorman war in ihrem Leben noch nie in einem Pub gewesen, und schon die Vorstellung jagte ihr Angst ein. Pubs und Kneipen: da waren nur betrunkene Männer, die wüste Lieder sangen und Witze erzählten, bei denen Nell puterrot geworden wäre. Außerdem konnten sie Benbow unmöglich in ein Pub mitnehmen. Aber an so einem Tag... Heute war Waffenstillstandstag. Und es tat einfach wohl, ausnahmsweise mal Taffy zu gehorchen, und nicht wie sonst immer von Oma und Opa herumkommandiert zu werden.
    Trotzdem: «Nein, Taffy, das geht doch nicht», sagte sie.
    Ohne auf sie zu hören, drängte er sich durch die Menge und zog Nell an der Hand hinter sich her, während sie Benbow im Schlepptau hatte. Plötzlich blieb Taffy stehen. «So-hier wartest du. Setz dich hin.» Sie standen an einer vollbesetzten Bank vor dem Eingang zum .
    «Nein, Taffy», sagte sie noch einmal. Doch einer der Männer auf der Bank gab seiner Frau einen Rippenstoß. «Los, Alte, rück mal ’n Stück weiter», befahl er fröhlich und fügte, zu Nell gewandt, hinzu: «Setzen Sie sich, kleine Frau. Für ’ne Hübsche ist immer noch Platz.»
    Nell gab den Widerstand auf. Lächelnd dankte sie und setzte sich, wenn auch mit Angst im Herzen. Opa würde bestimmt sehr böse sein, und wenn er auch noch Alkohol roch...
    Jetzt tauchte Taffy wieder auf, drei Gläser in beiden Händen.
    «Hier, nimm das, Nell. Und das ist für dich, mein Junge. Brause.»
    «Danke», sagte Benbow. Brause - die kannte er. Aber Nell betrachtete die braune Flüssigkeit in ihrem Glas argwöhnisch: «Was ist das, Taffy?»
    «Na, Bier, natürlich. Versuch’s mal.»
    Sie nahm einen Schluck. Es schmeckte scheußlich - dünn und bitter und schal, schlimmer als Medizin. Aber sie trank. Der Krieg war zu Ende, Taffy war bei ihr, und heute war heute.
    Taffy drängte sich an ihre Seite und gab ihr einen freundschaftlichen Klaps aufs Knie. «Wie wär’s denn, mein Mädchen - willst du mich heiraten?»
    Endlich war es heraus. Sie mußte wohl nein sagen, ihr Instinkt riet ihr dazu. Furchtsam blickte sie ihn an. Sein Gesicht, sonst so zerfurcht und unsicher, strahlte vor Lachen, und seine kleinen aufmerksamen Augen hatten alle Angst und Traurigkeit verloren. Sicher, mit Taffy würde es immer viel zu lachen geben, aber auch viel zu weinen, dachte sie. «Es geht nicht, Taff», sagte sie. «Es wäre unrecht — Tom gegenüber, meine ich.»
    «Tom ist tot», sagte er, wie schon früher einmal.
    «Ja, aber die beiden Alten. Das würden sie mir nie verzeihen.»
    Sie sah erstaunt, daß sie ihr Glas geleert hatte. Ohne ein Wort nahm Taffy es ihr ab. «Nein, Taff», protestierte sie. «Nein.» Er verschwand und kam gleich darauf mit zwei gefüllten Gläsern zurück. Eins schob er ihr in die Hand.
    «Ein Toter, und zwei alte Leute», sagte er. «Die haben doch mit uns überhaupt nichts zu tun, Nell. Es geht um uns, um unser Glück.»
    «Ich hab ’n Schluckauf», ließ sich Benbow vernehmen.
    «Du mußt versuchen, den Atem anzuhalten, Liebling.»
    «Und dabei bis tausend zählen», fügte Taffy hinzu.
    «Ich kann aber nur bis fünf.»
    «Dann mußt du eben den Schluckauf behalten», meinte Taffy ungerührt. «Es geht doch um unser Leben, Nell. Nur um uns.»
    «Und wo sollen wir wohnen? Du hast doch keine Arbeit, nicht wahr?»
    «Ich find schon eine. Wir nehmen uns irgendwo ein Zimmer.» Er lachte. «Oder ich zieh einfach mit zu dir.»
    Dazu sagte Nell gar nichts. Aus ihm sprach der Alkohol, das war klar. Sie merkte es bei sich selber; ihr war zumute, als schwebe sie, und dann auch wieder, als stände sie neben sich und höre der Unterhaltung zu, die sie selber führte.
    Sie nahm einen Schluck aus dem zweiten Glas, und dann noch einen. Es schmeckte immer noch gräßlich, aber sie trank weiter, als sei es ihre Pflicht. Und während sie trank, veränderte sich die Welt um sie. Sie sah, wie liebevoll und wie bezaubernd Taffy in Wirklichkeit war - und nicht nur Taffy, sondern alle diese Engländer hier, die an diesem englischen Novemberabend vor der englischen Kneipe saßen. Und Benbow erst... Sie war erfüllt von tiefer sehnsüchtiger Liebe für ihren Sohn. Und Toms Eltern? Ach, sie waren gar nicht so übel. Im Grunde reizende alte Leute. Sie würden es sicher verstehen, wenn sie ihnen erklärte, warum sie Taffy heiraten

Weitere Kostenlose Bücher