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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Herd. Ferner gab es eine Wäschemangel, einen Tisch mit zwei Stühlen und einen Ausguß. Mrs. Braithwaite blieb auf ihrem Stuhl sitzen und sah die Besucher prüfend an, als sie sagte: «Was Besseres werden Sie nicht finden, auch nicht für ’n Pfund die Woche.»
    «Können wir mal nach oben gehen?» fragte Nell.
    Die beiden Braithwaites sahen sich an, dann sagte der Mann: «Ich geh mal vor» und führte sie nach oben in das größere Schlafzimmer, das nach vorn heraus lag. Ein Sonnenstrahl lag auf der braunen Tapete. Nell blickte aus dem Fenster. Sie sah eine Reihe von Häusern, die alle genauso aussahen wie Nr. 71, und darüber einen feurigen Sonnenball, der am Himmel hing wie eine Kinderlaterne ohne Stock. «Hier scheint die Sonne rein», sagte Nell versonnen. (O der Sonnenuntergang über Rhinog Fawr, und der Friede, der sich wie Nebel in die weiten Täler stahl!)
    «Dann springt die Farbe ab», erklärte Taffy.
    Dazu sagte Mr. Braithwaite nichts; er führte sie schweigend in die beiden anderen Schlafzimmer.
    «Hier kann man sich gerade umdrehen», sagte Taffy in dem kleineren der beiden Zimmer. Nell war dem Weinen nahe. Taffy mochte das Haus nicht, das merkte sie.
    Die hinteren Fenster gingen auf einen kleinen verwahrlosten Garten hinaus. Ein schmaler Pfad führte zum WC. Dahinter lagen andere Häuser der gleichen Bauart. Aber hier gab es noch etwas Besonderes: In einem der Nachbargärten stand, fast so hoch wie das Haus, eine Silberbirke, die ein wenig Farbe, ein wenig Schönheit in die graue Umgebung brachte. Sie war etwas kümmerlich und nicht ganz gerade gewachsen, aber sie trug ihr helles Grün wie eine junge Braut. Und der Sonnenstrahl in der Baumkrone glich einer segnenden Hand.
    «Der Baum!» sagte Nell halblaut. (Birken im silbernen Mondlicht am Llyn Cwm Bychan! Waren es nicht Elfenflügel, die sie eben gehört hatte?)
    «Wir wollten ihn fällen lassen», berichtete Mr. Braithwaite, «aber die Leute wollten es nicht. Er ist aber nicht gefährlich, glaube ich.»
    «Wann ziehen Sie aus?» fragte Taffy.
    «Dienstag.»
    «Gut, dann nehmen wir es am folgenden Montag.»
    «Taff!» rief Nell überwältigt. Sie hätte ihn gern auf der Stelle umarmt und stürmisch abgeküßt; aber ein so unbeherrschtes Verhalten hätte womöglich die Braithwaites veranlaßt, ihnen das Haus nicht zu geben. Deshalb griff sie nur nach Taffys Hand und drückte sie zärtlich, was Mr. Braithwaite peinlich berührt und mißbilligend mit ansah. Er brachte sie zurück in die Küche und sagte:
    «Sie wollen es nehmen.»
    «So?» sagte Mrs. Braithwaite.
    «O bitte!» sagte Nell flehend.
    «Hast du sie nach Kindern gefragt?» wandte sich Mrs. Braithwaite ungerührt an ihren Mann.
    «Haben Sie Kinder?» fragte Mr. Braithwaite.
    «Ja, eins. Einen kleinen Jungen - er ist vier und sehr artig», sagte Nell, und da diese Information Mrs. Braithwaite nicht sehr zu beeindrucken schien, fügte sie hinzu: «Er heißt Benbow.»
    «Komischer Name», sagte Mr. Braithwaite. Er wurde wieder mißtrauisch.
    «Das war ein Admiral», sagte Nell eilig.
    «Also dann bis Montag in einer Woche», sagte Taffy abschließend.
    Auf dem Heimweg hängte sich Nell bei Taffy ein und blickte glücklich zu ihm hoch. «Gehört es jetzt wirklich uns, Taff? Ich meine, ganz wirklich? Es kam mir alles so - so unsicher vor.»
    «Es gehört uns, mein Mädchen.»
    Sie reckte sich und gab ihm im Gehen einen Kuß. Blaue Gardinen im Vorderzimmer, und hübsche gelbe in Benbows Zimmer, und die Schwelle am Eingang wollte sie blitzblank scheuern. Bisher war das Leben nicht ganz einfach für sie gewesen, erst der Krieg und dann Toms Tod. Aber jetzt schien es ihr plötzlich, als werde alles leichter. «Gefällt es dir auch wirklich, Taff?» fragte sie.
    «Ja, es ist sehr hübsch. Drei Schlafzimmer hätten wir ja nicht gerade gebraucht, aber immerhin: fünf Schilling in der Woche, das geht.»
    Nell holte tief Luft und sagte: «Dad, Taffy und ich haben ein kleines Häuschen gemietet. Es ist aber ganz in der Nähe, und ich komme jeden Tag her und sehe, was ihr braucht, du und Oma. Es bleibt alles so, wie es jetzt ist, bloß, daß ihr das Haus wieder für euch allein habt.»
    Er brauchte lange, um es zu begreifen, der alte Mann. Und als er es tat, war er gekränkt. Er hatte keine Dankbarkeit erwartet -was er getan hatte, hatte er für Tom getan. Aber er hätte nie von Toms Frau erwartet, daß sie ihre alten Schwiegereltern im Stich ließe, sobald es ihr in den Kram paßte. Er wollte wirklich

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