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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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keine Dankbarkeit, und um es gleich zu sagen, er hatte auch keine erwartet. Aber soviel Selbstsucht hatte er ebenfalls nicht erwartet.
    Oma, die wieder ihren schlechten Tag hatte, sagte, Tom würde sich im Grabe umdrehen. Ihr ging es, wenn man ihr glauben konnte, nicht etwa darum, daß sie jetzt ihren abendlichen Kakao selber machen mußte, sondern allein darum, daß ihr «der Junge, Toms Ebenbild» genommen werden sollte - ein Junge, von dem sie bisher kaum Notiz genommen hatte.
    «Seid froh, daß ihr sie los seid», sagte Edith, als sie es erfuhr. Sie war natürlich nicht bereit, sich ihrer Eltern selbst anzunehmen, war aber eifersüchtig auf jeden, der es tat. («Alice könnte jetzt wirklich aufhören, fremde Leute zu pflegen. Sie hat schließlich wichtigere Verpflichtungen.»)
    «Diesen Walisern kann man eben nicht trauen», erklärte Großtante Min weise. Es würde sie nicht wundern, wenn Nell die silbernen Teelöffel mitnahm.
    Großtante Mabel sagte gar nichts. Sie wußte nur, wenn ihr ein netter Kerl über den Weg liefe, der sich mit ihr zusammentun wollte — sie würde sich nicht zweimal besinnen.
    Auch Nell war gekränkt. Und unglücklich. Aber sie war ein Mensch, der es nicht an anderen ausließ. Sie ging ruhig ihrer Arbeit nach und versorgte die beiden Alten wie bisher. Bis am Dienstagabend Taffy hinter sie trat und ihr etwas ins Kleid steckte, das ihr kalt den Rücken hinunterglitt: die Schlüssel zum Haus Nr. 71.
     
    Für Nell kam eine Zeit voller Seligkeit. Sie schrubbte das Haus und pinselte und scheuerte und putzte die Fenster und weißte die Stufen und schwärzte Herd und Kamin. Abends schritt sie Arm in Arm mit ihrem Mann durch die kleinen leeren Räume und zeigte ihm, was sie vollbracht hatte. Manchmal machte sie eine Pause und ging in den Garten, setzte sich auf einen Stein und träumte von den Blumen, die hier bald an Stelle des Unkrauts stehen sollten: Fingerhut, Moübretien, Ringelblumen und hohe samtblütige Iris. Oder sie betrachtete die Birke, das einzige Stückchen Schönheit inmitten der grauen Steinwände, und dachte: Wie gut habe ich es! Womit hab ich das bloß alles verdient? Taffy und Benbow und ein eigenes Haus, und Blumen im Sommer und ein Baum, den ich immer ansehen kann. Was für ein Glück! Und dann stieg Angst in ihr auf, denn Glückseligkeit hat, wie Höhenrausch, allzu leicht Angst im Gefolge.
    Und während Nell ihr neues Haus vorbereitete, wurde von den Staatsmännern in Paris ein neues Europa, ja, sogar eine neue Welt geplant, die Frieden und Glück für die Menschen garantieren sollte. (Sie dachten dabei an fast alles, nur an eines nicht: an die menschliche Natur.) In Ingerby, wo sich der Ausschuß für das Kriegerdenkmal mit dem Schrein für die Gefallenen beschäftigte, der, wie der Bürgermeister es in der Diskussion über die Verwendung von Portland-Zement oder Aberdeen-Granit ausdrückte, «dem Schrein im Herzen der Hinterbliebenen» entsprach, plante man Friedensfeiern: Sportliche Wettkämpfe, Tanz im Freien, ein Festspiel und die Verteilung von Freibier an die Insassen des Altersheims. Dabei konnte man natürlich nicht auf die Hilfe von
    Edith und ihrer kleinen Tochter verzichten. Crystal sollte sogar die Hauptrolle übernehmen, den «Frieden», was in erster Linie der Manipulation ihrer Mutter zu verdanken war.
    Noch etwas anderes war in Vorbereitung. Irgendwo in einem Hinterzimmer des Kriegsministeriums saß jemand über den Papieren des Leutnants Frank Hardy, um diesen Mann, der so sorgfältig darin ausgebildet worden war, Menschen zu töten, wieder in den stillen, nachdenklichen Lehrer Frank Hardy zurückzuverwandeln.
     

11
     
    Sie waren eingezogen. Taffy Evans erschien am Abend im Haus Nr. 71, Albion Street, statt wie bisher im Haus Omdurman.
    Alles war fertig eingerichtet. Nell war in Opas Laden gegangen, ihre fünfzig Pfund fest in der Hand, und hatte zusammen mit Taffy Möbel ausgesucht: Betten, eine Polstergarnitur in blauem Mokett fürs Wohnzimmer, Eßtisch und Stühle, Kleiderschränke, Küchenstühle, einen Küchenschrank, Teppich und Linoleum. Das Geld schmolz schnell dahin, schrecklich, aber etwas behielt sie zurück für Kochtöpfe und Geschirr. Taffy lud die Sachen auf den Wagen, fuhr damit zum neuen Haus, und er und Nell verbrachten den ganzen Abend damit, alles abzuladen und an den richtigen Platz zu stellen.
    Und nun kam Taffy also nach Hause, wo ihn Nell selig und etwas zerzaust erwartete. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn ins

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