Und der Wind bringt den Regen
aber hatte er vier Jahre lang Tag und Nacht im Dreck der Schützengräben von seiner Braut im langen weißen Kleid und weißem Brautschleier geträumt. Und nun wollte sie auf keinen Fall Weiß tragen.
«Frank, das ist heute alles anders, glaub mir. So feierlich zieht man sich heute nicht mehr an. Außerdem...»
«Außerdem was?» fragte er scharf. Er stritt nicht gern wegen Kleinigkeiten, aber er gab auch nicht gern nach, wenn ihm etwas wichtig schien.
«Frank!» Sie setzte sich zu ihm, nahm seine Hand und spreizte seine Finger, einen nach dem andern. «Ich bin fast fünfundzwanzig, Lieber. Kein scheues junges Reh mehr.»
«Das hat damit nichts zu tun.»
«Wer vier Jahre in einem Lazarett Soldaten gepflegt hat, der ist am Ende keine rosenrote Unschuld mehr, weißt du. Die Umgebung steckt an.»
«Dich nicht!» protestierte er.
«O Frank!» Sie ließ seine Hand fallen. «Stell mich nicht auf ein Piedestal, Lieber. Ich bin nicht Lady Godiva. Ich bin eine ganz gewöhnliche Frau, und ich weiß mehr als mir lieb ist von den körperlichen und geistigen Funktionen der Männer.»
Er blickte sie lange und durchdringend an; dann legte er den § Arm um sie und sagte: «O Gott — daß du das alles durchmachen ' mußtest.» Und dann nach einer Pause: «Aber ich werd’s wieder gutmachen, Liebe, verlaß dich drauf.»
Alice war sonst keine Opportunistin, doch jetzt nahm sie die Gelegenheit wahr und sagte: «Danke, Frank. Und - wir machen nur eine kleine Hochzeit, nicht wahr?»
«Ja, natürlich.» Er schob die Frage beiseite, er war in Gedanken i schon weiter. «Als ich im Zug hierher fuhr, dachte ich daran, wieviel uns geblieben ist: unser Land, Bücher, Musik, Theater. All: das wird uns helfen, mit der schrecklichen Vergangenheit fertig zu werden. Eines immer vorausgesetzt.»
«Und das ist?»
«Daß du mich noch lieb hast, Alice.»
«Ich hab dich immer noch lieb, Frank», sagte sie. Aber sie wußte es nicht.
«Dann können wir uns zusammen einen neuen Himmel schaffen, und eine neue Erde», sagte er.
Frank Hardy hatte in Ingerby keine Bleibe mehr. Und da es Unglück bedeutete, wenn er die Nacht vor der Hochzeit unter dem gleichen Dach wie seine Braut verbracht hätte, und da Edith und Albert sich absichtlich kein Gastzimmer leisteten, beschloß man, daß er bei seiner zukünftigen Schwägerin in der Albion Street übernachten sollte.
Er kam erst spät, aber Nell hatte auf ihn gewartet. Sie blieben bis gegen elf Uhr in der Küche sitzen und tranken Kakao. Nell war glücklich: sie hatte einen Gast, dem sie sehr zugetan war, einen gutaussehenden, gebildeten Mann, der ihr so hoch überlegen war, daß sie es ihm nicht übelgenommen hätte, wenn er ein bißchen herablassend gewesen wäre. Aber davon war keine Rede.
«Nell, es tut mir so leid — das mit Taffy», sagte er einfach.
«Danke, Frank. Aber es war nicht seine Schuld. Er hat sich so verhalten, wie es seine Natur war. Einer Katze kann man auch keinen Vorwurf machen, wenn sie Vögel fängt.»
«Da bin ich anderer Ansicht», sagte er streng. «Von einem Mann kann man erwarten, daß er sich beherrscht.»
«Aber nicht, wenn es um Vanwy geht», sagte Nell.
Er schüttelte den Kopf und stand auf. Sie gab ihm eine Kerze. «Das erste Zimmer oben links. Es war Vanwys Zimmer.»
Er sah sie ernst an und sagte: «Schön dumm von ihm - wo er dich hatte.»
Sie errötete glücklich. «Wenn du irgendwas zu waschen hast, Frank, laß es morgen hier. Ich tu’s dann mit den anderen Sachen in den Waschkessel. Ja, und... Frank...»
«Ja?»
«Ich wünsch dir alles, alles Gute, Lieber. Und mach sie glücklich. Es war nicht immer leicht für sie.»
«Ich werde mein Bestes tun.» Wieder dieser ernste Blick in den seltsam fremden Augen. Dann wandte er sich um und ging nach oben.
Es war wirklich eine stille Hochzeit. Fast eine heimliche Hochzeit, fand Edith. Es war der erste Mittwoch im Oktober (mittwochs war früher Ladenschluß). Um zwei Uhr mittags versammelten sich die Hochzeitsgäste im Haus Omdurman, um geschlossen zur Baptistenkapelle in der Slag Lane zu gehen.
Frank und Albert trugen feierliche Anzüge aus dunkelblauem Serge. Albert gab die Schlagzeilen aus der Morgenausgabe der Mail zum besten - als eigene Meinung, natürlich. Frank tat, als höre er zu, aber er hörte kein Wort. Er wartete gespannt auf das Erscheinen seiner Angebeteten. Er mußte sich bald auf den Weg machen, und alle sagten, er dürfe Alice nicht vor der Kirche sehen, das bedeute Unglück für
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