Und der Wind bringt den Regen
die Ehe. Aber er war nicht abergläubisch und war entschlossen, bis zum letzten Moment zu warten, um vielleicht doch noch einen Blick auf sie zu erhaschen. Er würde sich sehr zusammennehmen müssen, um sich nicht lächerlich zu machen. Der Gedanke, daß diese bezaubernde Frau sich ihm anvertrauen wollte, machte ihn fast schwindlig vor Stolz und heimlichem Verlangen.
Oma kam die Treppe herunter, mit feuchten Augen, aber gefaßt, und stützte sich schwer auf den Arm ihres Mannes. Sie hob den schwarzen Schleier, damit ihr künftiger Schwiegersohn sie auf die Wange küssen konnte, und sagte: «Ich hoffe, du wirst glücklich, Frank.» Es klang, als halte sie das weder für sehr wahrscheinlich noch für gerecht.
Ein schwacher Schweinestallgeruch kündigte Großtante Mabel an, und Großtante Min folgte in einer Wolke von Pfefferminz.
«Ich dachte, wir feiern heute Hochzeit?» sagte Mabel scherzend.
«Tun wir doch auch.» Aus Omas Stimme klang leichter Groll.
«Aber du und Will, ihr seht mehr nach Begräbnis aus», sagte Mabel heiter.
Tante Min nahm Platz, glättete ihren Rock, faltete züchtig die Hände im Schoß, blickte sich um und fragte mit Unschuldsmiene:
«Die Braut ist doch sicher in Weiß?»
Frank fuhr aus seinen Träumen hoch. «Nein», sagte er mit entschuldigendem Lächeln, «sie sagt, sie sei zu alt dazu.»
«Nun, sie muß es ja am besten wissen», erwiderte Min. Sie hatte ihren Pfeil abgeschossen und wechselte das Thema. «Herrliches Wetter, was? Hochzeit mit Sonne bringt Freude und Wonne!»
«Ihr müßt jetzt gehen, Frank und Albert», mahnte Will Dorman. Auch er riskierte einen Scherz — schließlich feierten sie ja Hochzeit. «Ihr wißt schon, nach drei Uhr kann nicht mehr geheiratet werden. Da könnt ihr -»
In diesem Augenblick öffnete sich wieder die Tür und Benbow kam herein, mit Schnurrbart à la Lloyd George und - zum erstenmal in diesem Herbst - in seinem Admiralsmantel. In den Schultern war er schon etwas eng, auch an der Länge fehlte es ein bißchen, aber der Eindruck war immer noch imponierend. Und das wußte Benbow auch. Er kam sich großartig vor und tat, was ihm seine Mutter gesagt hatte: er gab einen trompetenartigen Ton von sich, stand stramm und verkündete: «Hier kommt die Braut.»
Alle lachten und klatschten Beifall, was Benbow so zu Kopf stieg, daß er seinen Auftritt mehrmals wiederholte. Doch dann blickten alle nur noch auf Alice, die jetzt, gefolgt von Benbows Mutter, erschienen war.
Nell sah immer so aus, als habe sie ihre Jacke falsch zugeknöpft. Und immer hing ihr eine Haarsträhne ins Gesicht. Aber sie sah nett aus, lieb und freundlich und nett.
Alice wirkte angespannt - und sehr schön. Der schmale feine Schnitt ihrer Züge wurde noch hervorgehoben von ihrem fast durchsichtigen Teint. Selbst in dem braunen Schneiderkostüm, mit den hohen Stiefeln und dem schicken kleinen Hut sah sie noch fast unirdisch aus -als ob sie sich aufeinen Opfergang vorbereitete.
Alle starrten sie schweigend an. Frank Hardy konnte den Blick nicht von ihr wenden. Seine Braut! Der Gedanke an diese Frau, an ihre Schönheit, war ihm vier Jahre lang Licht in dem Dunkel Flanderns gewesen...
«Frank, es ist Zeit», mahnte Will Dorman.
Aber Frank hörte nichts - er starrte immer noch Alice an. Ein weiches Lächeln erschien auf seinen Lippen. Und auch Alice stand da und lächelte ihm zu. Die Umwelt, der überfüllte Raum, die Verwandten schienen für die beiden versunken. Es war, als schwebten sie auf Wolken der Liebe. Aber Alice dachte: Ich weiß es immer noch nicht. Es wird nicht leicht werden, wir sind einander zu ähnlich. Aber er ist besser für mich als Walter. Bloß - genau weiß ich es immer noch nicht. Er ist mir ein Rätsel, dieser Frank Hardy.
«Frank!» sagte Opa.
Der Zauber war gebrochen.
«Komm, Albert. Sie wollen uns los sein», sagte Frank leichthin und wandte sich zur Tür. Aber nicht schnell genug, um zu hören, wie Großtante Min sagte: «Fabelhaft siehst du aus, Alice.» Und dann vertraulich: «Kommt denn Walter nicht zu deiner Hochzeit? Ich dachte, den hättest du eingeladen.»
«Wer ist Walter?» fragte Frank und blieb an der Tür stehen.
Großtante Min erschrak. Sie klatschte gern, und sie liebte Klatsch, aber sie wollte keinen Unfrieden. «Lieber Himmel, Frank», sagte sie, «ich dachte, du wärst schon draußen.»
«Frank, der Pfarrer wartet!» drängte Opa.
Frank nickte, drehte sich um und wäre gegangen, wenn nicht Alice gerufen hätte: «Ich sag’s dir
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