Und der Wind bringt den Regen
behandelt.
19
Stumm saß er am Tisch, aß seinen Toast mit weißen Bohnen und trank seinen Tee.
«Du bist so still, Junge. Fehlt dir etwas?» fragte Nell.
Er starrte auf seinen Teller. Im allgemeinen war er sehr ehrlich, auch wenn er sich wie die meisten Menschen nicht scheute, gelegentlich, um des lieben Friedens willen, die Wahrheit ein wenig zurechtzustutzen oder sie auch einmal ganz unter den Tisch fallen zu lassen. So hätte er seinen Besuch bei Tante Vanwy normalerweise nicht erwähnt, aber diese Möglichkeit hatte die Tante ihm durch ihre seltsame Bestellung genommen. Er wagte es nicht, sie zu unterschlagen.
Er blickte auf und sagte aggressiv: «Ich bin bei Tante Vanwy gewesen.»
Nell, die gerade ihre Gabel zum Mund hob, erstarrte. Nach einem Augenblick ließ sie die Gabel sinken und blickte ihren Sohn fest an: «Ich hätte es lieber gesehen, wenn du Tante Mabel besucht hättest.»
Er ging nicht darauf ein. «Ich soll dir etwas ausrichten», sagte er.
Sie starrte ihn nur an.
«Willst du nicht wissen, was sie dir sagen läßt?»
«Nein, es interessiert mich nicht», sagte sie kalt.
So hatte er seine Mutter noch nie erlebt. Ihre Härte erschreckte ihn.
«Er ist zurückgekommen», sagte er.
Nell wurde blaß. Langsam erhob sie sich. «Wer?»
«Weiß ich nicht», sagte er mürrisch. «Ich dachte, du wüßtest es. Ich sollte dir nur sagen, daß er zurückgekommen ist.»
Sie blickte auf ihn herab. Und in diesem Moment haßte sie ihn. «Was fällt dir eigentlich ein?» schrie sie. «Wie kannst du mich da mit hineinziehen? Wozu mußtest du dieser Schlampe nachlaufen und alles wieder aufrühren?» Sie lief aus dem Zimmer, und er hörte, wie sie die Treppe hinaufstolperte.
Benbow war verwirrt. Er begriff nicht, was in seiner sonst so ausgeglichenen Mutter vorging. Er aß seine Bohnen auf, schnitt sich ein Stück Kuchen ab, verzehrte es und ging dann nach oben, um wiedergutzumachen, was er angerichtet hatte — was es war, das wußte er selber nicht.
Nell lag auf dem Bett, den Kopf an die Messingstange am Kopfende gelehnt. Sie blickte aus dem Fenster und rührte sich nicht, als Benbow hereinkam.
«Was ist denn los, Mam?» fragte er kläglich.
Langsam wandte sie sich ihrem Sohn zu. «Nichts. Jedenfalls nichts, was ich hätte wissen müssen.»
«Es tut mir so leid.» Er meinte es ehrlich. «Aber ich wußte es nicht — wirklich nicht.»
«Was wußtest du nicht?» fragte sie scharf.
Er zuckte mit den Schultern und lachte kurz. «Nicht einmal das weiß ich.»
Sie sah ihn immer noch an.
«Ich weiß ja nicht einmal, wer dieser er ist», sagte er.
«Mein Mann», erwiderte sie kurz.
Jetzt starrte er sie an. «Dad?» Er hatte plötzlich die schreckliche Vision von einem Skelett, das, in eine Uniform gehüllt, die Treppe zu Tante Vanwys Wohnung erklomm.
«Weißt du es wirklich nicht mehr?» fragte Nell. «Denk mal nach. Du warst noch ganz klein. Taffy Evans. Du hast immer Mister Evans zu ihm gesagt.»
Jetzt erinnerte er sich. Ein Weihnachtsmorgen, Kälte. Und ein Mann, der ihn anschrie, weil er nicht mit seinem Spielauto fahren wollte. Ein Mann, der neben seiner Mutter im Bett saß. Benbow wurde rot. «Dein - Mann? Was ist denn mit ihm? Was ist ihm passiert?»
«Vanwy hat ihm den Kopf verdreht. Und mit dir würde sie es genauso machen, wenn du dich nicht wehrst. Ich hab sie beide rausgeschmissen.»
«Du hast sie rausgeschmissen?» Er sah sie mit großen staunenden Augen an.
«Ich weiß — das traust du mir nicht zu. Normalerweise hätte ich’s auch nicht fertiggebracht. Ach, Junge - wenn ich so was nur etwas öfter fertiggebracht hätte, dann wäre ich besser mit meinem Leben zurechtgekommen. Mit meinem und auch mit deinem. >» Da saß sie in dem dämmerigen Schlafzimmer, traurig und hoffnungslos, und fing an zu weinen.
Er setzte sich neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern. Schließlich versiegten ihre Tränen. «Entschuldige, Junge. Ich wollte nicht - es war ja nicht deine Schuld.» Sanft schob sie ihn von sich. «So, und nun geh. Es geht mir schon wieder besser. Geh nur, du hast noch zu arbeiten.»
Immer noch unruhig und doch erleichtert, ging er nach unten. Selbst Schularbeiten waren besser, als hier zu sitzen und nicht helfen zu können.
Am nächsten Morgen holte Benbow sein Rad aus dem Schuppen und sagte obenhin: «Mam, ich fahr mal rüber zu Tante Mabel.»
«Fein.» Nell war gerührt. Offensichtlich bemühte er sich, sein gestriges Verhalten wiedergutzumachen. Sie gab
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