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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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wußte nur, daß er sich wünschte, Ulrike möge immer bei ihm bleiben - immer. «Geh nicht zurück, Ulrike», sagte er mit erstickter Stimme. «Bleib hier, in England.»
    «Was könnte ich in England tun?»
    Er schluckte und versuchte vergeblich, einen leichten Ton anzuschlagen. «Du könntest doch heiraten.» Der Mut verließ ihn. «Irgendeinen Engländer zum Beispiel.»
    Sie lachte hell auf und griff nach seinem Arm. «O Benbow, wie komisch!» Dann wurde sie ernst. «Nein, das könnte ich nicht. Ich könnte keinen Engländer heiraten - auch nicht, wenn er so süß wäre wie du.»
    Er war irgendwie beschämt und zugleich peinlich berührt. «Ich glaube, wir müssen zurück. Tante Mabel hat sicher schon das Essen fertig.»
    Sie machten kehrt und gingen durch die sommerliche Landschaft zurück.
     
    Um diese Zeit kamen die ersten Tonfilme nach Ingerby. Benbow ergriff mutig die Gelegenheit und lud Ulrike ins Kino ein. Ulrike lächelte ein wenig und sagte ja.
    Benbow zitterte vor Aufregung. In der Tasche eine Schachtel Pralinen, in der Hand ein Paar waschlederne Handschuhe, jeder Zoll ein Kavalier - so ging er mit seiner ersten Freundin zum erstenmal ins Kino.
    Drinnen war es dunkel, warm und stickig. Al Jolson sang mit Schmelz und Schmalz «Sonny Boy». Die Bilder flimmerten, die Musik dröhnte. Aber von all dem merkten Ulrike und Benbow nichts - für sie war die warme Dunkelheit gerade recht. Trotzdem dauerte es über zwei Drittel des Films, bis ihre Hände zueinander fanden, wunderbar und ein klein bißchen klebrig-feucht. Und erst in den allerletzten zehn Minuten brachte Benbow den Mut auf, den Arm um sie zu legen, und er fühlte, wie sich ihr Kopf mit dem duftenden Haar in seine Armbeuge schmiegte. Und als sie in dieser Nacht über das weite Moorland zurückgingen und tausend Sterne über ihnen funkelten, erlebte Benbow die ekstatische Verzauberung, die jeder Mann nur einmal so erlebt, die Flamme, die nie wieder entzündet wird: die jubelnde Seligkeit der ersten jungen Liebe. Und dann, am Gartentor, der erste Kuß: süß und verzehrend weich waren ihre Lippen - ach, und wenn er tausend Jahre alt würde, solche weichen Lippen würde es nie wieder geben...
     
    Es war Mitternacht, als er nach Hause kam. Nell lag schon im Bett und war sehr erleichtert, als sie ihn sah. «Ich habe mir schon Sorgen gemacht, Junge. Wo warst du denn?»
    «Im Kino.»
    «Mit Gerald?»
    Die Versuchung war groß, einfach ja zu sagen. Pause. «Nein. Mit Ulrike, Mam.»
    Nell schwieg einen Augenblick. Dann: «Aber sie ist eine Deutsche, Benbow.»
    «Ja, ich weiß.»
    Plötzlich war der Wandschirm, hinter dem er sich auszog, nicht mehr die einzige Schranke zwischen ihnen. Zum erstenmal hatte er ungeduldig gesprochen, mit der Stimme des Erwachsenen, der entschlossen ist, das Gespräch zu beenden.
    Nell begriff. «Gute Nacht, mein Junge», sagte sie nur.
    «Gute Nacht.»
    Sie hörte, wie er hin und her ging, wie er sich hinlegte. Sie lag noch lange wach, unglücklich, ohne recht zu wissen, warum. Einmal hatte es doch so kommen müssen, das wußte sie. Sie konnte Benbow nicht immer behalten. Nur - es war so plötzlich gekommen. Ihr kleiner Junge. Ihr kleines Stückchen Tom. Irgendwann würde er sie verlassen, das war nur natürlich. Und dann würde sie allein sein, bis ans Ende ihrer Tage...
     
    Doch im Laufe der Jahre mußte Nell erkennen, daß sie nicht nur die Frau zu fürchten hatte, die ihr eines Tages ihren Sohn wegnehmen würde.
    Die Anzeichen für einen neuen Krieg mehrten sich. Noch fürchtete sich die Welt so sehr davor, daß sie Hitler alles gab, was er verlangte. Alles und mehr. Doch die Zeit war nahe, da die Welt Adolf Hitler noch mehr fürchtete als einen neuen Krieg...
     

20
     
    Benbow war inzwischen Angestellter in Barclay’s Bank.
    Die Zahl der Arbeitslosen war groß, und eine Anstellung in einer Bank war etwas besonders Beneidenswertes, da sie Sicherheit bedeutete. Für Will Dorman, der an ein paar Drähten gezogen hatte, war es noch mehr. «Das ist etwas fürs Leben, Benbow. Regelmäßige Gehaltserhöhung, mindestens zehn Pfund im Jahr, hat mir Amtsrat Williams gesagt. Natürlich nur, wenn du dir nichts zuschulden kommen läßt. Und mit sechzig bist du pensionsberechtigt. Es wäre vielleicht gut, wenn du ein paar Zeilen an Amtsrat Williams schreiben würdest — zum Dank, verstehst du?» Amtsrat Williams hatte Opa beim Drahtziehen geholfen.
    «Ja, Opa», sagte Benbow. Die erste Woche in der Bank war scheußlich gewesen, und

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