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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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vermeiden.»
    «Und du glaubst, das kann man, wenn man solchen Kerlen nachgibt?» fragte er.
    Sie stand hochaufgerichtet vor ihm — schön in ihrem Zorn. «Ach, geh doch zum Teufel», sagte sie hilflos und lief die Stufen zum Krankenhaus hinauf.
     
    Vier Wochen später sah Alice am Schwarzen Brett der Schwesternkantine ein hektografiertes Blatt: Stop Hitler Now Society. Versammlung am 17. November 1938, 19.30, St. Michael’s-Gemeindesaal. Gastredner: Frank Hardy.
    «Dieser Narr!» sagte sie. «Dieser blinde Narr!» Sie ging wütend in die Schwesternräume und fragte erregt: «Wer hat das angeschlagen?»
    «Ich», sagte eine Schwester von der Unfallstation.
    «Aha», sagte die Oberin. «Dann möchte ich mal kurz mit Ihnen sprechen, Schwester Lisa.»
     

23
     
    Zu der zweiten Versammlung der Stop Hitler Now Society erschienen einige Zuhörer mehr als beim erstenmal. Im übrigen war es das gleiche Publikum wie bei der ersten Zusammenkunft, und in der letzten Reihe saßen auch wieder schweigend und bedrohlich die fünf Schwarzhemden. Aber Alice war diesmal nicht gekommen.
    Frank hatte Angst. Es war die gleiche Angst, die er so oft erlebt hatte, im Krieg, kurz vor dem Angriff. Er wußte, daß sie losschlagen würden. Er wußte nur nicht wann—während seines Vortrages oder danach, draußen, in der Dunkelheit.
    Die Uhr schlug halb acht. Der Vorsitzende der Gesellschaft stellte Frank den Zuhörern vor. Er sprach unnötig ausführlich. Frank dachte die ganze Zeit: Wenn es bloß erst vorüber wäre! Dann erhob er sich. Blaß und leicht vornübergebeugt stand er am Tisch. Dann zwang er sich, die Schultern zurückzunehmen und den Kopf zu heben. Ein seltsames Glitzern war jetzt in seinen Augen, und in seine Furcht mischte sich fast so etwas wie freudige Erregung: Es war die Beschwingtheit, mit der ein Märtyrer singend zum Scheiterhaufen schreitet.
    Er sprach ruhig, fast im Plauderton. «Wenn Sie wissen möchten, was Österreich und die Tschechoslowakei erwartet, und vor allem, was den europäischen Juden bevorsteht, wenn es Sie interessiert, womit Polen und Holländer und Belgier zu rechnen haben, dann drehen Sie sich um. Hinter Ihnen, in der letzten Reihe, sitzen fünf Imitationen der Hitlerschen Braunhemden.» Er lächelte mit schmalen Lippen. Einige der Zuhörer drehten sich neugierig um, andere starrten nervös zu Boden. Die fünf britischen Faschisten verzogen verächtlich die Lippen und rührten sich nicht.
    Frank fuhr fort: «Sie sind nicht so gut trainiert wie Hitlers Banden. Aber es sind genau solche Halunken.»
    Die Schwarzhemden blieben mit verschränkten Armen reglos sitzen. Einer wollte aufstehen, wurde aber von seinen Kameraden auf den Sitz zurückgezogen. Eine ältere Dame blickte prüfend auf ihre Uhr und ging dann eilig hinaus, als sei ihr soeben eine Verabredung eingefallen.
    «Sehen Sie sich diese Banditen genau an - und dann danken Sie Ihrem Schöpfer, daß Sie kein Jude sind.»
    Nach dieser Einführung begann er seine vorbereitete Rede. Er war ein glänzender Redner. Er lieferte Zahlen und Fakten, er beherrschte sein Thema, er riß das Publikum mit. Zum Schluß applaudierte man ihm und sang stehend die Nationalhymne. Dann fragte ihn der Vorsitzende etwas hilflos:
    «Werden Sie auch sicher nach Hause kommen, Mr. Hardy? Ich meine —»
    «Aber selbstverständlich», antwortete Frank und ging mit festen Schritten aus dem Saal. Er hatte immer noch Angst und war immer noch wie betäubt von Zorn und Haß. Die Schwarzhemden blickten ihm nach. Dann erhoben sie sich langsam, rückten die Ledergürtel zurecht und folgten ihm.
    Frank trat in die kühle Nachtluft hinaus. Seine Schultern zuckten, alle Muskeln waren angespannt. Jetzt ging es los. In wenigen Sekunden würde ein Schlag auf ihn niedersausen, ein Fußtritt ihn treffen. Aber der Kampf würde nicht ganz einseitig sein. Die Army hatte ihm vieles beigebracht. Weiß Gott, wenn es zu einem Kampf ohne Waffen kam, dann kannte er ein paar Tricks, die diese Banditen bestimmt nicht kannten.
    Er war so in sein Vorhaben vertieft, daß er den Krankenwagen draußen vor der Tür gar nicht sah. Und auch Alices Befehl: «Los, los, steig ein!» hörte er nur mit halbem Bewußtsein.
    Zwei Krankenschwestern packten ihn und zogen ihn in das erleuchtete Innere des Wagens. Alice gab eilig dem Fahrer ein Zeichen, und Schwester Lisa schlug die Türen zu. Unter Sirenengeheul jagte der Wagen davon.
    Frank lag auf dem Boden. Jetzt faßte er sich, richtete sich auf und starrte

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