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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Hardy.»
    «Frank.»
    «Mr. Hardy.» Sie blieb plötzlich stehen und blickte ihm in die Augen. «Hör zu: wenn du zurückgekommen bist, um mir noch einmal zu verzeihen, dann kannst du es gleich vergessen.»
    Er sagte sanft: «Alice - ich liebe dich immer noch. Genauso wie früher.»
    Sie starrte vor sich hin und erwiderte langsam: «Vor zwanzig Jahren hast du mich so gedemütigt, daß ich glaubte, ich könnte es nicht ertragen. Ich gebe zu, daß ich schuld daran war. Aber du hast es getan. Ich werde dich nicht heiraten, Frank. Und wenn es mich das Leben kostete.» Sie packte ihn an den Jackettaufschlägen und schüttelte ihn. «Begreifst du das jetzt? Begreifst du es endlich?» Sie schüttelte ihn wieder.
    Er sah die blitzenden Zähne, ihre zornig funkelnden dunklen Augen, die weichen schmalen Wangen. Und er liebte sie in diesem Augenblick mehr als je zuvor. Aber er verstand.
    «Ja, Alice», sagte er ruhig. «Ich begreife. Aber ich möchte dich immer noch heiraten.»
    Sie ließ ihn mit einem Seufzer los. Einen Augenblick lang standen sie sich gegenüber und starrten einander an. Dann wandten sich beide um und gingen schweren Schrittes auseinander.
     
    «Na, Alice, wie bist du denn mit Frank Hardy zurechtgekommen?» fragte Opa hoffnungsvoll.
    «Er hat mich gebeten, ihn zu heiraten.»
    «Fein - nach so langer Zeit. Gottes Wege sind eben wunderbar.»
    Sie sagte langsam und betont: «Ich habe ihm gesagt, ich würde ihn nicht heiraten. Und wenn es mich das Leben kostete.»
    Opa seufzte. Er würde Alice nie verstehen. Nell stand leise auf und ging nach oben in ihr Zimmer. Sie trat ans Fenster und blickte hinaus auf den schmalen Streifen Himmel. Tränen rannen ihr über die Wangen. Lange stand sie so und weinte und hätte nicht sagen können, warum.
     
    Im Frühling 1938 blühten wie jedes Jahr Narzissen und Krokus, Maiglöckchen und Schwarzdorn, Tulpen, Hyazinthen, Forsythien und Flieder.
    Und Drachenzähne sprossen. Der Mai brachte nicht nur blühende Wiesen und Hecken, sondern auch eine neue europäische Krise. Sogar in England spürte man, daß der strahlende Morgen, der mit Versailles begonnen hatte, kein strahlender Morgen mehr war. Immer dunklere Wolken ballten sich zusammen. Aber noch wollten die Menschen es nicht wahrhaben. Ein Krieg — das war noch etwas so Undenkbares wie damals vor neunzehn Jahren. Es gab andere Wege, um Streitigkeiten beizulegen. Es mußte sie geben, denn die Männer würden nicht noch einmal ins Feld ziehen. Und diesmal würden nicht nur die Männer betroffen sein, sondern alle Menschen. Nein. Gebt Hitler, was er haben will, aber laßt nicht zu, daß ein neuer Krieg ausbricht.
    Diesmal war es die Tschechoslowakei. Zum Schrecken der Welt zogen die Tschechen am 20. Mai ihre Reservisten ein und besetzten ihre Grenzstellungen. Hitler, so hieß es, sei im Begriff, das Land zu überfallen.
    Hitler beteuerte tief gekränkt seine Unschuld. Die englische Regierung, die sich inzwischen wieder gefaßt hatte, verpaßte den Tschechen einen Rüffel dafür, daß sie ihr einen solchen Schrecken eingejagt hatten.
    Aber die Wolken schwanden nicht - sie wurden immer dunkler und drohender.
    Den ganzen Sommer verhandelten englische und französische Politiker mit den Staatsmännern der Tschechoslowakei. Sie beschwichtigten und flehten: Opfert euer kleines Land, damit wir nicht das Gesicht verlieren, erspart uns harte Entscheidungen, rettet Europa, rettet die Welt. Unglücklicherweise weigerten sich die Tschechen und gaben nicht nach. Adolf Hitler hielt still und wartete ab.
    Schließlich trafen sich in München der britische Premier, der «Führer» des Deutschen Reiches, der italienische «Duce» und der französische Ministerpräsident, um das Problem gemeinsam zu lösen. Die Vertreter der Tschechoslowakei mußten im Vorzimmer warten, bis man über das Schicksal ihres Landes entschieden hatte. Um zwei Uhr morgens wurden ihnen die Bedingungen vom französischen und britischen Premierminister vorgelegt. Bei seiner Rückkehr nach England sagte der britische Premier, er sei müde, aber angenehm müde.
    Die Wolken verzogen sich noch einmal. England atmete erleichtert auf: man hatte die Zivilisation, ja die ganze Welt vor dem Krieg gerettet. Man hatte es abgelehnt - um die Worte des Premierministers zu gebrauchen —, «in den Streit eines weit entlegenen Landes hineingezogen zu werden, einen Streit zwischen Menschen, von denen wir gar nichts wissen.»
    In Ingerby gab es nur wenige Menschen, die sich Gedanken

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