Und der Wind erzaehlt von Zaertlichkeit
Wahrscheinlich fühlt sie sich von unserem Clansherrn vernachlässigt.«
»Nein, das kann nicht sein. Er hat ihr bisher genug Aufmerksamkeit geschenkt. Sie muß erkannt haben, wie beschäftigt er ist.«
»Hat er eine Nachricht geschickt?«
»Ja. Er versichert mir, daß alles in Ordnung ist und er bald heimkehren wird.«
»Aber das ist dieselbe Nachricht, die er jeden Tag schickt.«
»Er versucht, Rücksicht auf meine Sorgen zu nehmen, Netta. Und für mich ist das alles, was zählt.«
»Mylady, darf ich Euch um einen Gefallen bitten?«
»Ja, sicher.«
»Wenn Lady MacAlister erst einmal weg ist, werdet Ihr mir dann sagen, warum sie Euch letzte Woche zum Weinen gebracht hat? Ich weiß, daß ich das nicht fragen sollte, aber ich mache mir Sorgen um Euch. Wie Ada auch. Wir beide haben Euch sehr gern.« Sie nickte zur Bekräftigung, wenn sie auch verlegen zu Boden sah.
»Danke, Netta, auch ich habe euch sehr gerne. Sobald ich weiß, daß sich um ein bestimmtes Problem gekümmert wird, werde ich dir erzählen, was sie zu mir gesagt hat.«
»Vielen Dank, Mylady. Wolltet Ihr gerade hineingehen?«
»Ja.«
»Habt Ihr etwas für mich zu tun?«
»Im Moment wüßte ich nichts. Du kannst dir ruhig ein bißchen Zeit für dich gönnen. Ich ziehe mir andere Schuhe an und gehe reiten.«
»Habt Ihr Crispin vorgewarnt?« fragte Netta grinsend.
»Er ist im Augenblick an der Außenmauer beschäftigt. Aber du mußt dir keine Gedanken machen, daß ich den Schwarzen nehme. Davis hat ihn vor mir versteckt.«
Netta brach in lautes Gelächter aus. »Schließt Davis immer noch jedesmal, wenn Ihr den Stall betretet, die Augen?«
»Ja, aber er will mir nicht sagen, warum er das tut.«
Brenna sah Netta hinterher, wie sie über den Hof lief, dann wandte sie sich ab und ging aufs Haus zu. Ihre Gedanken waren bei ihrer Schwester, als sie zu ihrer Kammer hinaufging. Das Warten auf die Nachricht, daß Faith gerettet war, fiel ihr ungemein schwer, und sie hatte bisher nur schlafen können, indem sie sich mehrmals sagte, daß sie alles getan habe, was in ihrer Macht stand. Der Rest hing von Gott allein ab, und sie konnte nur noch beten.
Brenna stieß die Tür auf und entdeckte ihren Dolch auf der Truhe neben dem Bett. Kopfschüttelnd durchquerte sie die Kammer. Sie mußte wirklich etwas mehr auf ihre Sachen achten. Es ging einfach nicht an, daß sie alles verlor.
Sie hatte den Dolch gerade in ihren Gürtel geschoben, als sie die Tür quietschen hörte. Da sie annahm, daß der Wind sie bewegt hatte, dachte sie sich nichts weiter, setzte sich aufs Bett und zog ihre Schuhe aus. Plötzlich rastete das Schloß der Tür ein.
Bevor sie sich noch umdrehte, wußte sie, wer mit ihr in der Kammer war.
Und dann sah sie ihn. Raen stand vor der Tür, und zog sich sein Hemd aus. Brenna setzte zu einem Schrei an.
Crispin erfuhr durch den Krieger, der an der Zugbrücke Wache hielt, daß Raen zurückgekommen war.
»Er und drei andere sind eben eingetroffen. Allerdings ist Raen der einzige, der die Brücke überquert hat. Seine Gefährten lagern auf der Wiese. Ich kann sie hier oben sehen«, rief er von seinem Posten herab. »Raen sagte, er habe Hugh die letzte Ehre erwiesen und sei hier vorbeigeritten, um sich von seiner Mutter zu verabschieden, bevor er endgültig nach Norden reitet. Er schlug vor, daß ich die Zugbrücke unten lassen solle, was ich selbstverständlich nicht getan habe. Auf jeden Fall werdet Ihr sehen, daß er sein Pferd nicht einmal abgesattelt hat – er wird also vermutlich gleich wieder fort sein.«
Crispin übergab Davis sein Reittier und machte sich auf den Anstieg zur Festung hinauf. Seine Herrin hatte ihm gestanden, daß sie Angst vor Raen habe, und er wollte in ihrer Nähe bleiben, solange Connors Stiefbruder sich innerhalb der Mauern befand.
Je näher er der Festung kam, desto schneller ging er. Das dumpfe Gefühl, daß seine Herrin in Gefahr war, verstärkte sich mit jedem Schritt, und schließlich begann er zu laufen.
Und dann gellte ihr Schrei über den Hof. Crispins Herz setzte einen Schlag aus, als er nach seinem Schwert griff. »Verdammter Schweinehund«, flüsterte er. Dann brüllte er die Worte heraus.
Plötzlich rannte alles auf die Festung zu. Die Stille nach dem angstvollen Schrei war unheilverkündend. Crispin hatte den höchsten Punkt des Pfades fast erreicht, als er einen Ruf hörte. Wie vom Blitz getroffen, blieb er stehen und blickte hinauf. Am Fenster zur Kammer des Lairds stand Raen, hielt sich
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