Und die Eselin sah den Engel
strömte vom pechschwarzen Himmel etwas herab, das zu dieser späten Stunde wie ein Schwall sprudelnden Öles wirkte, sickte über die Windschutzscheibe und wand sich um die Scheibenwischer wie lebendige schwarze Vipern.
»Es hat nicht aufgehört, Bruder«, sagte Philo.
Carl schüttelte den Kopf und schaltete das Fernlicht ein. Er preßte sein Gesicht an die Windschutzscheibe, so daß sein Körper sich bucklig übers Steuer wölbte, und blinzelte in den Regen. »Stimmt, hat nicht aufgehört.« Und nach einer Weile auf der Maine Road, fügte er hinzu: »Bruder Philo, ich glaub, wenn in diesem ganzen Tal nur eins feststeht, dann das … es hat nicht … aufgehört.«
Um genau zu sein, war das schwere Geniesel des frühen Nachmittags zu einer alles ertränkenden Sintflut angeschwollen. Nichts hatte aufgehört. Und ebensowenig hörte es an den folgenden Tagen auf, ließ weder nach noch wurde es weniger. Nicht ein einziger Sonnenstrahl brach aus dem tobenden Schwarz des Firmaments. Gott, so schien es, war blind für ihre Bußetaten. Ihre Verzweiflung zehrte sie restlos auf.
Nichts anderes blieb mehr übrig, als im Tal zu bleiben und weiter zu dulden, oder aber die Sachen zu packen und in ein sonnigeres Klima zu ziehen, und so für alle Zeiten Schuld und Schande auf sich zu laden.
Poe, der selbsternannte Messias, wurde nahezu über Nacht zum leibhaftigen Inbegriff der Schmach einer ganzen Stadt, zur Verkörperung ihrer Nichtswürdigkeit und zum Brennpunkt unbezwinglichen Hasses. Er unterließ es, die Stadt selbst noch einmal zu betreten.
Die Kirche auf der Ruhmes-Ebene kam noch mehr herunter – im Lauf der Monate war sie auf ihren Stelzen ein wenig zur Seite gesunken, und ihr einziger Besucher war ein zunehmend betrunkener Abie Poe. In seinem schwarzen Gewand, zerlumpt und verdreckt, das verhärmte Gesicht von tiefen dunklen Furchen durchzogen und die Augen tief eingesunken in ihre schattigen Höhlen, schlich der verstörte Prediger in den Kammern der Kirche umher und erklomm, halb vergessene Gebete murmelnd, zuweilen die Kanzel, um den in ihrem Glauben nie erlahmenden Ratten, Kröten und Regentropfen umnachtete Predigten zu halten. Das Dach war undicht. Fenster gingen zu Bruch. Nie geläutet, rostete die Vesperglocke in ihrem Stuhl. Die einst strahlende Einrichtung versank in Schmutz und Dreck.
So ging ein weiteres Jahr dahin. Und der Regen pißte fürder.
XVII
Ein Wind pfiff durchs Tal und fuhr weiter durch die Stadt. Ich saß im Regen, neben der Tankstelle, und hörte dem Klappern des Texaco-Schildes über den Pumpen zu: jedesmal, wenn der Wind es traf, tockte es dreimal – das erste Klopfen am lautesten, das letzte kaum noch hörbar. » Tock ! Tock! tock!«
Die rotweißen Wimpel am Eckpfosten von Noahs Friseurladen flatterten und flappten, flatterten und flappten mit jeder neuen Bö. Genau beim letzten Tocken des Schildes, wenn dieser gleiche Windstoß den Friseurladen traf, richteten sich die schlaff hängenden Fähnchen auf und flatterten und flappten fröhlich rot und weiß, flatterten und flappten, bis die Bö ein Stück weiter die Maine Road hinuntergefahren war, und dann hingen sie wieder stumm und warteten auf das nächste Signal der Reklametafel.
Wenn der Wind weder pfiff noch an die Tafel klopfte, und wenn die Tafel über den Pumpen nicht tockte, dann hingen die Fähnchen in schlaffer Reihe, und flappten nicht, noch flatterten und flogen sie.
Und wenn der Wind in dieser nassen und windigen Sommernacht des Jahres 1943 nicht durch das Tal tänzelte, lag die Ortschaft Ukulore in windloser Stille – abgesehen vom Rauschen des Regens natürlich, dem unablässigen Prasseln, das wie das endlose Lärmen des Bluts längst nicht mehr von den Ohren wahrgenommen wurde.
Und wenn der Wind nicht tänzelte, dann brach weder Flappen noch Tocken noch Pfeifen, weder Strömen noch Prasseln das feierliche Schweigen all dieser windgeplagten Dinge.
Hab ich euch erzählt, daß wir den Regen nicht mehr hörten?
Ich sah keine Seele in der Stadt, denn nicht eine ließ sich finden – weder eine einzelne, noch ein schlenderndes Paar. Die älteren Ukuliten gingen gewöhnlich paarweise – ich meine paarweise –, wenn viele auch häufig alleine spazierengingen, wie es auf der ganzen Welt Brauch der Alten ist – ich meine, auf der ganzen Welt ist es Brauch der Alten, spazierenzugehen – paarweise oder allein, bis ans Ende ihrer Herzen, ihrer Beine, oder ihrer Tage – allein oder paarweise ihren Gräbern zu.
Aber nicht
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