Und die Eselin sah den Engel
der junge Mann nur noch auf seinen Taufnamen – Fitzgerald; er wirkte ein wenig mürbe und gealtert.
Und in dieser Lavendelhölle lag ich auf einem Bett verschlungener Ranken, und die ganzen Spinnweben hingen mir als klebriger grauer Schleier vorm Gesicht. Und dann erschien sie und schwebte über all der Entweihung, und ihre Schwingen wedelten die verstreuten Opfergaben zu einem Haufen von Haaren und Haut und Knochen, von Papier und Asche, von Federn, Zähnen und Nägeln, von Blut und Lappen und Glassplittern zusammen, und dann verschlang das alles ein jähes Feuer, das vom Boden aufknisterte und bis an die Spitzen ihrer Flügel leckte. Und obwohl mir die Spinnweben vor den Augen die Sicht nahmen, konnte ich Glut und Trauer auf ihrem Gesicht erkennen, und ihr offenes Haar, ihre feuchten schwellenden Brüste, ihre bemalten Lippen und Nägel und ihre Augen mit den schweren Lidern – und obwohl mir die Ohren von Spinnweben verstopft waren, konnte ich ihr langsames Atmen hören und ihre müde Stimme, als sie mir sagte, daß ich meinen Feind kennen müsse.
Erschöpft wollte ich das Sumpfland verlassen, und während ich durch das Dickicht zog und über das schwammig nasse Gestrüpp hintrampelte, da spürte ich, daß ich diese dunkle Zuflucht zum letzten Mal verließ und nie mehr wiederkehren würde. Angst und Zweifel kannten nun diesen Ort. Nie mehr konnte ich mich in diesen heiligen Gefilden verlieren. Denn wie konnte ich jetzt jemals noch sicher sein, daß in dieser Schattenmenagerie nicht auch der Schatten eines Menschen umging? Nie wieder konnte ich diesem dunklen Reich trauen, nachdem es jetzt einmal von anderen bloßgelegt worden war.
Als ich dem Rand näherkam, blieb mein Fuß an etwas Hartem hängen, und ich stürzte ins Gestrüpp. Und als ich dort lang am Boden lag, biß mir etwas Kaltes in den Knöchel. Ich hob mich auf die Knie und fand neben meinem Fuß einen bitteren Zeugen für die Schändung meines Allerheiligsten – eine grinsende Sichel. Diese Sichel, schwer lag sie in meiner Hand. Ich hieb in die Luft.
Aus war es mit meinem Glauben an die Abwesenheit von Menschen.
»Gibt es denn keinen Ort, an den sie mir nicht folgen?« fragte ich mich.
»Sichel, Sichel, Sichel«, erwiderte ich stumm.
XIII
Gott ist kein Schwärmer. Man wird es nicht erleben, daß Er sich den himmlischen Mund mit Tändeleien und müßigem Geplauder wundredet. Und auch für großartige Moralpredigten ist Er nicht zu haben. Schluß ist mit dem üblen Schwindel der alten Zeiten – dem ganzen Gequatsche von wegen Feuer und Schwefel. Heute handelt Gott mit anderer Ware – denn heute ist kaum noch ein Mensch bereit, sich für die Verheißung eines himmlischen Königreichs nach dem Tode von seinem teuren leiblichen Wohl und irdischen Vergnügen zu trennen. Gottes Kundschaft ist klein und erlesen. Der Teufel heimst schaufelweise ein.
Gott ist reif geworden. Er ist nicht mehr das impulsive, herzlose Wesen des Alten Testaments – der ungestüme Seligkeitskrämer mit der Donnerstimme und Seinem Sack voll billiger Zirkustricks –, der hitzige Marktschreier mit Seinen brennenden Büschen und Zauberstäben. Heutzutage weiß Gott, was Er will, und Er weiß, wen Er will. Wenn es Ihn in Seiner Herrlichkeit richtig dünkt, dich als Werkzeug in seinem Größeren Plan einzusetzen, dann, ich sag es dir, hast du bereit zu sein, ohne Frage und Widerrede Seine Anweisungen zu empfangen, zu begreifen und auszuführen.
Ich war Sein Schwert, scharf geschliffen und zum Schlag erhoben. Ich blitzte in der Sonne.
Ich saß allein auf der Höhe des Hangs, der hinter der Hütte zu den Zuckerrohrfeldern hin abfiel. Ich hatte die Arme verschränkt auf meinen an die Brust gezogenen Knien liegen, und die untere Hälfte meines Gesichts war in den Armbeugen versunken. So zusammengekauert, beobachtete ich das Tal.
Ich beobachtete das Tal und sah die schwarzen Felder und das hohe, angekohlte Zuckerrohr, das, seines Laubs entkleidet, nicht mehr flüsterte – zum Schweigen gebracht, harrte es des nahenden Todes. Ich sah die Schnitter schwitzend und rußverschmiert mit ihren Macheten die Halme dicht überm Boden abhacken. Die Schnitter hieben, das Rohr fiel.
Ich beobachtete, wie diese Männer systematisch meinen Schleichweg zerstörten – es waren genau dieselben Schweine, die in mein Sumpfland eingedrungen waren und meine Grotte dem Erdboden gleichgemacht hatten. Derselbe Abschaum, der meine Schätze zerschlagen und zerstreut hatte – alle die
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