Und die Eselin sah den Engel
gleich bedeutet, daß man mitten auf dem Memorial Square einen Regentanz aufführen könnte.
Ich saß auf einem bemalten Stein neben der alten Pumpe und dem Trog, und zwischen meinen Knien las ich die kleine Kupfertafel, die dort eingelassen war.
»Wohlan, all ihr Dürstenden,
kommt zum Wasser!«
Jesaja 55, 1
Gestiftet von der U. V. Z. K. 1921
Ich hörte einer Viermannkapelle zu; sie spielte auf einem niedrigen Anhänger, vor den der allererbärmlichste Gaul gespannt war, den ich je gesehen hatte. Wie ein Pferd so runterkommen kann, werd ich nie begreifen. In dem Versuch, die Festlichkeiten auf seine kleine Weise ein wenig auszuschmücken, hatte der Türke seinem Pferd einen feuerroten Fez aufgesetzt, komplett mit schwarzer Quaste und schwarzem Gummiband ums Kinn.
Als ich so da saß, bloß mit mir selbst beschäftigt, sträubten sich mir plötzlich die Haare, und meine Hände fingen rasend an zu jucken, und ich hatte so ein eigenartiges Gefühl, als ob mich jemand beobachtete. Ich begann zu schwitzen und keuchte in kurzen Stößen. Meine Hände brannten und pochten, und ich blies darauf, aber das nützte gar nichts, also tauchte ich sie bis zu den Ellbogen in das kühle Wasser des Trogs. Dort hielt ich sie eine volle Minute lang – und als ich das Gefühl hatte, mein Blut wäre etwas abgekühlt, zog ich sie wieder raus. Ich schüttelte die Arme, bis sie fast trocken waren, wagte aber nicht aufzublicken und hoffte flehentlich, daß dieses Gefühl – daß irgend jemand mich beobachtete – verschwinden würde. Es blieb.
Ich sah auf, und unsere Blicke trafen zusammen. Genau wie auf dem Gemälde! Sie stand neben dem Gaul und tätschelte seinen Hals, starrte aber mich an. Durch mich hindurch.
Ich riß mich los und taumelte von dem Stein. Er hatte nur die Größe eines Kürbisses, doch ich stürzte seitlich in den Kies und schürfte mir dabei die Hüfte auf.
Ein höllischer Schmerz. Ich hörte ein paar Leute lachen.
Ich setzte mich wieder auf den Stein, den Kopf tief zwischen die Knie gebeugt, winselnd vor Schmerz unter ihren schneidenden Blicken. Als ich wieder aufsah, lächelte sie mich an – mit einem bösen hämischen Grinsen, das ihre kleinen weißen Zähne sehen ließ. Sie machte sich lustig über mich. Ein bloßes Kind.
Sie lehnte sich näher an den Gaul, tätschelte seine Nase mit ihren kleinen bleichen Händen, reckte sich auf die Zehenspitzchen und flüsterte dem Pferd etwas ins Ohr. Hexenworte. Eine Zauberformel. Und wieder lächelte sie und zeigte ihre Zähne. Ein paar Augenblicke später sah ich im Schädel des Pferdes ein weißes Auge wild herumrollen, dann stieg es auf die Hinterbeine und trat. Und noch einmal. Und dann riß sich das verhexte Tier mit irrem Wiehern los, brach durch die Hecke und rannte vor einer roten Staubwolke die Maine Road runter.
Ein Jubelschrei erscholl. Die Männer, besoffen bis zum Stehkragen, stiegen in ihre Lieferwagen und Kombis und machten sich, unter Gejohle Flaschen und Seile schwenkend, an die Verfolgung. Ohne lange zu überlegen, sprang ich hinten auf einen Lastwagen auf, wo schon etwa zehn andere Männer waren, aber nach einer Viertelmeile warfen sie mich runter, wobei sie die Fahrt kaum verlangsamten.
Ich sah das wahnsinnige Tier in der Ferne von der Maine Road abbiegen und ein Stück in Richtung meiner Hütte rennen, dann bog es wieder ab, platschte durch den Morast und verschwand im Sumpfland. Ich schmeckte Blut und tastete, den Kopf zurückgelegt, nach einem Taschentuch.
Ich humpelte über die Maine Road, konnte aber wegen des verfluchten Staubs kaum die Hand vor Augen sehen. Als ich endlich bei meiner Hütte war, sah ich einzelne Männer aus dem Sumpfland kommen, aus meiner Zuflucht; sie wirkten irgendwie ernüchtert von dem, was auch immer dort stattgefunden haben mochte.
Am nächsten Tag ging ich in den Sumpf.
Dort war es kühl und dunkel, und als ich meinem Allerheiligsten näherkam, bemerkte ich einen frischen Geruch in der Luft, einen Duft, der fremd war in diesen verborgenen Gärten, in diesen feuchten und dumpfen Gefilden – als hätte eine Frau hier die Nacht verbracht und wäre dann gegangen. Da war er wieder, dieser Parfümgeruch, und nun fiel es mir ein … der Lavendelduft ihres Körpers … Cosey Mo.
Zu meinen Füßen blitzte etwas auf, und flüchtig hielt ich es für eine Träne, vergossen zu ihrem Gedenken; aber das war es nicht. Sondern ein Stück von einer Flasche – einem winzigen preußischblauen Fläschchen, das
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