Und die Eselin sah den Engel
meinem Kopf und dem leisen Gemurmel ihres Verrats.
Ich konzentrierte mich auf das dunkelblättrige Nachtgewächs, das schwer an der rostigen Regenrinne und übers Geländer der Veranda wucherte. Jeder Umriß dieser Kriechpflanze bedeutete Niedertracht, das schwör ich bei Gott. Fleischige, gespaltene Blätter wankten finster und giftig an dünnen geschlängelten Stielen wie eine Kolonie schwarzer Filzzungen, umwanden Pfosten, Pfeiler und Rinne. Ich befand mich auf Augenhöhe mit dem Geländer, um das die Pflanze sich rankte – die sterbende Sonne spritzte über die schwarzen tanzenden Blätter – und ich weiß noch, wie ich dachte, daß dieses Schlinggewächs aussähe, als wäre es in ein Faß trüben Schmieröls getaucht worden, als wäre es eine riesige schwarzgraue Eisenschlange oder eine tödliche Waffe. Und als langsam die Sänger herannahten, war es tatsächlich eine tödliche Waffe.
Ich sprang auf und begann die fleischigen spatenförmigen Blätter abzupflücken und stopfte sie in die Taschen meines Admiralsjacketts. Am Abend quetschte ich ihnen mit Hilfe zweier glatter Flußkiesel den Saft aus. Ich zerdrückte das nasse Mark zu einem trockenen Brei und leitete den milchigen Saft mit einem Blechtrichter in eine kleine grüne Glasflasche, die zu drei Vierteln voll wurde.
Der Frühjahrsmond sah nackt aus, schier bronzen in seiner Fülle. Es war die Farbe der Haut meines Engels, doch wirkte er bei aller dreisten Majestät wie mißhandelt, als sei die Haut von blaßgrauen Flecken übersät.
Ich drehte den winzigen Korken aus dem Hals der Miniaturflasche, hob sie an meine Nase und sog tief die giftigen Dämpfe ein. Aus den Augenwinkeln schielte ich nach dem Mond, und bei diesem flüchtigen Blick sah ich den Ball oben aufbrechen wie eine Fleischwunde und einen scharlachroten Schleier über das große nackte Antlitz gießen. »Ein Hurenmond, getaucht in Hurenblut«, dachte ich, und preßte das Bild aus meinen Augen und ließ eine Minute verstreichen. Den Kopf wieder frei, sah ich noch einmal hin und fand den Mond wie zuvor – einen glänzenden, silbrig glühenden, verprügelten Ball aus Engelshaut.
Unterm Gewölbe der Nacht kniete ich an der Destille nieder, die der Mauer am nächsten stand, und leerte die Giftflasche in den Glasballon mit dem Fusel. Ich hockte und schaukelte auf meinen Fersen und lachte mit dem idiotischen Mond – Mond und Stummer lautlos vor dem tickenden Übel dieser tückischen Nacht.
Am übernächsten Morgen war der Glasballon weg. Ich kontrollierte das Loch im Zaun und fand, daß es noch weiter aufgebogen worden war. Ich wand mich auf Händen und Knien durch und sah den Hobo mausetot an der Außenwand der Mauer sitzen. Eine Stockspitze ragte aus seinem halboffenen Mantel, stach obszön aus seinem blutgetränkten Hemd wie ein triefender Hundepimmel. Das Glas mit der tödlichen Dosis war leer, stand aber aufrecht in seinem Todesgriff.
Offenbar hatte der Penner den Schnaps gleich runtergekippt, sobald er durch die Mauer war; das Gift hatte ihn umgehauen, und er war rücklings auf den spitzen Stock gestürzt. Dieser Idiot.
»Na, sieh dich jetzt an!« dachte ich, nahm ihn beim Kragen seines Mantels und zog ihn von dem Stock. Ins taunasse Gras gekniet, nahm ich die steife Last auf die Schulter, kroch ein Stück rückwärts und zerrte ihn dann an den Stiefeln durch das Loch in der Mauer in mein Reich. Ich ging noch einmal raus, schlug das flachgedrückte Gras mit einem belaubten Zweig und verwischte Blut und Kotze, die er hinterlassen hatte. Dann entfernte ich den blutigen Stock und kroch nach genauer Untersuchung, ob auch keinerlei verräterische Spuren mehr übrig waren, durch die Mauer zurück, wobei ich noch mit dem Zweig über den Boden wedelte. Ich hämmerte das verbogene Blech wieder flach, nagelte es zusätzlich noch fest und flocht Stacheldraht davor.
Die Hofhunde hatten ihre Lektion gelernt und humpelten zu dem graubraunen Haufen hin; klarer Speichel troff von ihren gebleckten Zähnen. »Wer mit der Rute spart, verdirbt den Hund«, dachte ich, ging über den Hof und trat in die Hütte. Ich stieg die Treppe rauf, durch die offene Falltür, und nahm meinen Platz im Turm ein. Dann stellte ich das Teleskop auf kurze Entfernung ein und suchte das Land systematisch im Umkreis von zwei Meilen ab. Ich fand keine Zeugen. Keinen einzigen.
»Wer mit der Rute spart, verdirbt den Hund«, sprach es dauernd in meinem Kopf, während ich das Sehrohr einschraubte, um es auf den Hobo scharf
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