Und die Hölle folgte ihm nach
gehört?«
Fidelma wandte sich Bruder Faro zu, der mit leicht geneigtem Kopf neben ihr stand und dem traurigen Klang lauschte. Auf seinem Gesicht lag ein seltsamer Ausdruck.
»Allem Anschein nach hat sich Bruder Wulfila geirrt, wenn er glaubte, Abt Servillius und Schwester Gisa hätten sich auf den Weg zum alten Einsiedler gemacht, weil er krank war«, stellte sie in aller Ruhe fest. Dann aber galt ihre Aufmerksamkeit Odo, der sich in ihrer Nähe hielt. »Ich verstehe herzlich wenig von eurem Sackpfeifenspiel. Wer, glaubst du, spielt das Klagelied?«
Ohne auch nur überlegen zu müssen, erwiderte der junge Mann: »Es ist die Trauerweise des Einsiedlers. Niemand anders als Aistulf kann die
Muse
so spielen.«
KAPITEL 18
Zum ersten Mal in ihrem Leben schob Fidelma, so lautlos es nur ging, einige schwere Gegenstände vor ihre Kammertür. Dann legte sie sich zu Bett und verfiel in einen unruhigen, von Träumen beschwerten Schlaf. Mitten in der Nacht erwachte sie und setzte sich im Dunkeln auf. Die Stirn war schweißnass, der Nacken kalt. »Natürlich«, murmelte sie, als sich ihre Gedanken ordneten. »Natürlich! Wie konnte ich nur so dumm sein? Aber auch so was von dumm!« Irgendwie gelang es ihr, erneut einzuschlummern, doch am Morgen fühlte sie sich wie zerschlagen.
Sie stand auf, wusch sich und überwand ihre Ermattung. Wie gewohnt ging sie, das erste Mahl des Tages mit den Brüdern im
refectorium
einzunehmen, doch sich auf das Essen zu konzentrieren, wollte ihr nicht recht gelingen. Der Ehrwürdige Ionas sprach die Gebete, Magister Ado saß gedankenverloren neben ihm und stocherte lustlos in seinem Essen. Fidelma schaute sich um, Bruder Faro war nirgends zu sehen. Als sie aus dem Saal ging, fragte sie Bruder Wulfila, wo er sei.
»Er hat die Abtei schon wieder verlassen, er will weiter nach Schwester Gisa suchen«, sagte ihr der Verwalter mürrisch, er schien Faros Abwesenheit zu missbilligen.
Die Glocke ertönte, und jeder begab sich an die ihm zugeteilte Arbeit. Fidelma eilte dem Ehrwürdigen Ionas hinterher.
»Ich muss dringend mit dir sprechen«, begann sie ohne jede Vorrede. »Es handelt sich um eine Sache, die, im Augenblick jedenfalls, strikt unter uns bleiben muss.«
»Bei uns herrscht der Brauch, keine Geheimnisse voreinander zu haben«, tadelte sie der Geistliche.
»Gewisse Mitglieder der Bruderschaft haben diesen Brauch bereits gebrochen. Geheimhaltung ist mehr als angeraten, denn die Abtei schwebt in unmittelbarer Gefahr.«
Er sah sie tiefbesorgt an. »Nach den Todesfällen, die sich hier ereignet haben, fürchte ich das auch. Gestern Abend habe ich den Vorschlag unterbreitet und unterstützt, dass du die Ermittlungen aufnimmst. Darf ich annehmen, du bist bereits zu einem Ergebnis gekommen?«
»Noch nicht ganz«, gab sie zu, »doch ehe der heutige Tag zu Ende geht, werde ich die meisten Antworten, wenn nicht sogar alle, beisammenhaben.«
»Worin besteht das Geheimnis, das du mit mir teilen willst?«
Sie standen auf den Stufen zur Haupthalle, der Innenhof lag vor ihnen. Wachsam ließ Fidelma ihre Blicke umherwandern. »Gibt es einen Weg, auf dem wir in die Nekropole gelangen können, ohne gesehen zu werden?«
Der Ehrwürdige Ionas runzelte die Stirn. »Was sollen wir dort suchen oder finden?«
»Ich bin mir gewiss, es dir dort zeigen zu können. Doch wir dürfen von niemandem beobachtet werden.«
»Etwas Genaueres kannst du mir nicht sagen?«
»Nur so viel: Kurz vor seinem Tod hat Bruder Ruadán einen wundersamen Satz gesagt. Ich nahm an, er redet schon irre. Erst jetzt habe ich begriffen, was er meinte. Seine Worte waren: ›Man mag nicht glauben, wie viel Böses ein Mausoleum bergen kann.‹ Ich habe lange gebraucht, bis ich es verstand, weil ich einer falschen Fährte aufgesessen bin.«
Der betagte Mönch bedeutete ihr, mit ihm zu gehen. Sie schritten durch die Haupthalle und durch einen Gang, der neben der Küche verlief. Auch den Kräutergarten mussten sie nicht betreten. Sie gelangten in eine Art Lagerraum, den man längst nicht mehr nutzte. Der Ehrwürdige Ionas machtesich daran, in einer Ecke einige Kisten beiseitezuräumen, und schließlich kam der eiserne Griff einer Falltür zutage.
Der Klosterherr verzog die Lippen zu einem gequälten Lächeln. »Als ich in jungen Jahren in die Abtei kam, wurde mir dieser Weg nach draußen gezeigt, den jüngere Mönche nutzten, wenn sie den unerbittlichen Blicken des Torhüters entkommen wollten. Der war viel strenger als Bruder Bladulf,
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