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Und die Hölle folgte ihm nach

Und die Hölle folgte ihm nach

Titel: Und die Hölle folgte ihm nach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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den man in den Kirchen in Hibernia nicht trug. Dort setzten sich Äbte und Bischöfe Kronen auf, wenngleich auch sie einen Hirtenstab, die
cambutta,
trugen. Später erfuhr sie von Schwester Gisa, dass Papst Theodor vor vielen Jahren die Äbte von Bobium als Bischöfe anerkannt und ihnen so unter den Kirchenführern zu Macht verholfen hatte. Kein Wunder also, dass Abt Servillius für das selbstherrliche Auftreten von Bischof Britmund nur Verachtung zeigte.
    In den meisten Kirchen und Abteien Hibernias wurde die Messe nicht täglich gelesen, im Allgemeinen nur sonntags, und auch dann eher zum Tagesanbruch als zu einer anderen Zeit. All diese Dinge gingen Fidelma durch den Kopf, und je mehr sie darüber nachdachte, desto fremder fühlte sie sich – eine Fremde in einem fremden Land. Sie vermisste jegliche Zugehörigkeit; noch nie war sie sich so verloren vorgekommen, selbst im Königreich der Angeln nicht oder in der Zeit, als sie in Rom war. Natürlich empfand man immer ein gewisses Heimweh, aber das hier war etwas anderes, es versetztesie in eine düstere Stimmung, und sie wünschte sich fort von hier.
    Überrascht gestand sie sich ein, dass ihr Bruder Eadulf, der angelsächsische Mönch, fehlte, sein Sinn für Humor und seine stets sachdienlichen Kommentare. Mit einem leisen Lächeln dachte sie daran, wie er sich gegen das »angelsächsisch« wehren würde; er hielt sich für einen aus dem Stamm der Angeln und nicht der Sachsen, kam er doch aus dem Land des Südvolks aus Seaxmund’s Ham. In ihren Augen waren beide, die Angeln und die Sachsen,
Sasanach,
eben Sachsen. Für Eadulf hingegen war es ein Unterschied, und er wies immer darauf hin, dass die verschiedenen Königreiche, die auf der britannischen Insel entstanden waren, just von diesen Unterschieden geprägt waren und dass Angeln und Sachsen sich oft genug kriegerisch gegenüberstanden.
    Fidelma wollte es nicht gelingen, das befremdliche Gefühl des Isoliertseins abzuschütteln. Erst die Worte des Abts
»Ite, missa est«
, die das Ende der abendlichen Andacht verkündeten, rissen sie aus ihren Träumereien.
    Zusammen mit Schwester Gisa verließ sie die Kapelle. Sie kamen an Bischof Britmund und Bruder Godomar, seinem Gefährten, vorbei. Die schwarzen Murmelaugen des Bischofs hefteten sich auf sie, doch wie sie merkte, galt der strenge Blick mehr Schwester Gisa als ihr. Das Mädchen fing auch gleich an zu zittern und sagte nur rasch: »Verzeih, Schwester Fidelma, aber auf mich warten noch Pflichten. Ich wünsche dir eine gute Nacht.« Und schon drehte sie sich um, eilte über den Hof und verschwand durch die Tore der Abtei. Der Bischof aber hatte bereits den Ehrwürdigen Ionas abgefangen, und man hörte sie nicht gerade freundlich miteinander reden. Aus dem ungehaltenen Ton schlussfolgerte Fidelma, dass das Streitgespräch seinen Fortgang nahm.
    Langsam wurde ihr klar, dass mit dem Moment, da sie die Abtei betreten hatte, immer die unterschwellige Drohung von Unheil gegenwärtig war, ohne dass sie sie auf irgendetwas Konkretes hätte zurückführen können. In ihrer Tätigkeit als
dálaigh,
Anwältin bei den Gerichten der Fünf Königreiche, war sie oft genug Bösem begegnet, nie aber hatte sich ihrer ein so banges Gefühl bemächtigt wie hier. Durch beharrliches Wirken in der Rechtspflege hatte sie den Titel eines
anruth
erworben, den zweithöchsten Grad, den weltliche und geistliche Hohe Schulen in Irland vergeben konnten, und hatte es in dieser Eigenschaft mit bizarren Morden und Verbrechen zu tun gehabt, die sie immer hatte aufklären können, wenn auch manchmal unter lebensbedrohlichen Umständen. Acht Jahre lang hatte sie in Tara an der Schule von Brehon Morann studiert, und nichts hatte sie mehr beglückt, als mit der Klärung mysteriöser Vorgänge betraut zu werden. Aber jetzt – jetzt war sie sich unsicher, wo das Unheilvolle lauerte und zu suchen war. Drohte aus der bloßen Existenz zweier Lager, die sich nicht einigen konnten, ob Gott als Wesenseinheit oder Dreieinigkeit zu verstehen sei, tatsächlich Gewalt?
    Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, so bewegte sie die Frage als solche nicht gerade leidenschaftlich, wie es ihr auch ähnlich mit ihrer Haltung zur Religion ging. Wirkliche Leidenschaft hegte Fidelma für Recht und Gesetz, für die Prinzipien der Gerechtigkeit. Weshalb war sie dann überhaupt Nonne geworden? Sie hätte einfach die Tochter von Failbe Flann, König von Muman, sein können, doch ihr Vater starb, als sie noch ein kleines Kind

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