Und die Hölle folgte ihm nach
Bruder Eolann zu mir, ich werde ihm die nötigen Weisungen erteilen.«
Bald danach stiegen Fidelma und Bruder Eolann in der Mittagssonne den geebneten Weg bergan und blickten hinunter auf die Abtei. Bruder Eolann hatte vorgeschlagen, die Wanderung zu Fuß zu unternehmen, obwohl sie auch bis zu HawisasHütte hätten reiten können, doch von dort bis zur Bergkapelle würde es zu Pferde nicht weitergehen. Wie er ihr geraten hatte, trug Fidelma ihre derbsten Ledersandalen. Über den Rücken hatte sie den Mantelsack geschlungen, in dem eine Decke, das Notwendigste zur Körperpflege und etwas Essbares eingepackt waren.
Die Berghänge waren dicht bewaldet und voller Felsvorsprünge. In natürlich entstandenen Mulden hatte sich Wasser gesammelt und kleine Teiche gebildet. Gelegentlich begegnete ihnen ein Schäfer oder Ziegenhirt, und man grüßte sich im Vorbeigehen. Hawisas Heim war gar nicht einmal sehr weit entfernt. Die kleine Hütte stand unter großen Bäumen, daneben plätscherte ein Bach talwärts. Sobald sie sich ihr näherten, fing ein Hund an zu bellen. Eine stämmige Frau mit dichtem schwarzem Haar und wettergebräuntem Gesicht trat heraus und begrüßte sie.
Sie redete die Besucher in der kehligen Sprache der Langobarden an, die Fidelma mittlerweile erkennen, aber keineswegs verstehen konnte. Bruder Eolann erwiderte, und Fidelma hörte den Namen Hawisa heraus. Die Frau nickte und schaute sie fragend an. Fidelma wandte sich ihrem Dolmetscher zu. »Sage ihr bitte, ich möchte ihr ein paar Fragen zu ihrem Sohn Wamba stellen.«
Misstrauisch kniff die Frau die Augen zusammen und erklärte knapp: »Der ist tot.«
Mit Hilfe des Bibliothekars versuchte Fidelma mit ihr ins Gespräch zu kommen. »Das ist uns bekannt, und wir betrauern mit dir deinen Verlust. Man hat mir erzählt, er wäre beim Ziegenhüten von der Felswand gestürzt.«
Hawisa schnaubte verächtlich. »Wamba war kein Tolpatsch, der irgendwo abstürzt. Frage Wulfoald, was wirklich war.«
»Den Krieger? Es heißt doch, er war es, der Wamba gefunden und den Leichnam zur Abtei geschafft hat.«
Bruder Eolann suchte nach den rechten Worten.
»Und warum hat Wulfoald den Leichnam nicht zu mir nach Hause gebracht?«, fragte die Frau erregt.
»Hat er denn gewusst, wo Wamba zu Hause war?«
»Ha!«, lachte sie auf, und es klang wie trockenes Bellen. »Als man mir schließlich die Nachricht brachte, mein Sohn ist tot, bin ich hinunter in die Abtei gegangen, und da hatte man ihn bereits begraben. Ich durfte ihn nicht mehr sehen. Wie kann ich wissen, welche Verletzungen er hatte? Und erst recht nicht, woher sie kamen?«
»Bezweifelst du aus gutem Grund, dass die Dinge sich nicht so zugetragen haben, wie man dir erzählt hat?«
»Sprich mit deinem Abt, und lass mich in Ruhe … Ich behalte meine Vermutungen für mich.«
Fidelma schürzte die Lippen. »Welche Vermutungen, Hawisa?«
»Dazu sage ich nichts, aber ein paar Fragen gibt es schon, auf die ich gern Antwort hätte, und zwar von Abt Servillius und Wulfoald. Er hat sehr wohl gewusst, wo meine Hütte steht. Warum ist er denn sofort zur Abtei geritten?«
»Welchen Grund sollte er gehabt haben, dir den Tod deines Sohnes bis nach der Beerdigung zu verschweigen?«
Die Frau schlug die Arme übereinander und presste die Lippen zusammen. Was sie zu sagen bereit war, hatte sie gesagt, mehr war ihr nicht zu entlocken.
»Ich hatte dich noch fragen wollen, ob Wamba je von einem Bruder Ruadán gesprochen hat, einem alten Bruder aus Hibernia«, begann Fidelma von neuem.
Die Frau schüttelte langsam den Kopf. »Wamba hat unsere Milch immer an Bruder Waldipert in der Abteiküche verkauft«,erklärte sie Fidelma über Bruder Eolann. »Jetzt hat mein Neffe Odo meine Ziegen übernommen und schafft die Milch zur Abtei. Außer Bruder Waldipert hat mein Junge keinen von den frommen Brüdern gekannt.«
Fidelma war enttäuscht, dass sich nicht unmittelbar eine Verbindung zwischen Bruder Ruadán und Wamba herstellen ließ. »Ich habe gehört, Wamba hätte ein paar Tage vor seinem Tod am Berg etwas gefunden.«
Die Frau blinzelte argwöhnisch und erklärte schroff: »Hier ist es Brauch, wenn einer etwas auf dem Berg findet und sich nicht sofort jemand meldet, der es verloren hat, dann gehört es dem Finder und kann später nicht mehr zurückgefordert werden.«
»Sei unbesorgt«, versicherte ihr Fidelma. »Ich bin nicht hier, um etwas zurückzufordern. Ich möchte nur wissen, wie es zu dem Fund kam und was weiter damit
Weitere Kostenlose Bücher