Und eines Tages kommt das Glück
leidtun, dachte er düster. Sie würde es noch bereuen, ihn in diese missliche Lage gebracht und ihn beleidigt zu haben.
Allen würde es noch leidtun, dachte Darragh. Auch seiner Mutter. Schließlich hatte Giselle in dem Punkt recht gehabt. Veronica hatte sie verraten. Und das nach all den Jahren, die sie zusammen an dem Rosenholztisch im Vorstandszimmer verbracht hatten (Tom hatte den Tisch in einem Trödelladen in der Francis Street gefunden und liebevoll restauriert), nach all den Jahren, in denen Veronica auf ihn gehört und auf seiner Seite gewesen war. Und bisher hatte er immer recht gehabt. Er hatte das Unternehmen auf seinen jetzigen Erfolgskurs gebracht, und anstatt ihn dafür zu belohnen, fiel seiner Mutter nichts Besseres ein, als ihm die Firma wegzunehmen. Nie zuvor war Darragh wirklich wütend auf sie gewesen, doch jetzt war er außer sich vor Zorn.
Als er Kathryn an diesem Nachmittag besucht hatte, um mit ihr darüber zu reden und ihr begreiflich zu machen, dass die Situation unhaltbar war, hatte sie ihn nur ausgelacht und ihm erklärt, dass er endlich erwachsen werden solle. Sie hatte gegrinst und gehöhnt, dass im Leben nicht immer alles so liefe, wie man es erwarte. Aber für sie war es gut gelaufen. Darragh wusste genau, dass Kathryn Romy jetzt als ihre Verbündete betrachtete, wenn wichtige Entscheidungen anstanden. Also konnte Kathryn zufrieden sein. Deshalb hatte sie auch so herablassend und mit distanziertem Amüsement auf ihn reagiert. In dem Moment hatte er eine derartige Wut auf sie verspürt, dass er hatte gehen müssen, aus Angst, ihr sonst einen Schlag in ihr lächelndes Gesicht zu verpassen.
Es war lange her, seit er so zornig gewesen war. Und so hilflos. Wahrscheinlich nicht mehr seit dem Tag, an dem er gesehen hatte, wie Tom das blutbefleckte Handtuch an seine Nase presste. Damals hatte sich alles verändert. Auch jetzt würde sich wieder alles verändern.
Es sei denn, er unternahm etwas, um diese Entwicklung aufzuhalten.
Kapitel 25
Romy hatte vorgehabt, Veronica am Montagabend vom Bahnhof abzuholen, aber ihre Mutter rief vorher an, um ihr zu sagen, dass sie die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und noch eine Woche länger bleiben würde.
»Dann geht es dir also gut?«, fragte Romy.
»Ja, sehr sogar«, antwortete Veronica. »Es ist eine Ewigkeit her, seit ich das letzte Mal mit meinen Bridgefreunden unterwegs war, und ich hatte ganz vergessen, wie viel Spaß das macht. Außerdem«, fügte sie hinzu, »habe ich keine Lust, jetzt schon nach Hause zu kommen und mir von dir, Kathryn, Darragh und wahrscheinlich auch Giselle Vorhaltungen machen zu lassen.«
»Wenn das so ist, hättest du uns gar nicht erst in die Situation bringen dürfen«, erwiderte Romy.
»Ich will, dass ihr das unter euch klärt.«
»Mam, du weißt genau, dass das unmöglich ist«, sagte Romy. »Das können wir nicht.«
»Ich bin sicher, dass ihr das schafft«, erklärte Veronica. »Ich werde nicht eher nach Hause kommen, bis ihr euch geeinigt habt.«
Romy lachte kurz auf. »In dem Fall solltest du dir besser ein billiges Hotel suchen, denn du könntest sehr lange wegbleiben müssen.«
»Redet miteinander«, sagte Veronica.
»Das müssten wir nicht, wenn du zuerst mit uns gesprochen hättest.«
»Um es mir von euch ausreden zu lassen?«
»Das wäre womöglich am besten gewesen.«
»Sicher nicht«, erwiderte Veronica mit fester Stimme. »Ich weiß, was ich tue. Trotzdem bleibe ich erst mal hier – in sicherer Entfernung. Ich rufe dich im Lauf der Woche wieder an.«
»In Ordnung.« Romy schmunzelte, als sie den Hörer auflegte. Die Worte ihrer Mutter hatten sie wieder einmal an einen Krimi von Agatha Christie denken lassen: Veronicas zerschmetterter Körper lag in der Eingangshalle des herrschaftlichen Anwesens, während die ganze Familie unter Mordverdacht stand. Nur dass dieses Mal nicht Veronica in Gefahr war. Ihr gehörten die Anteile schließlich nicht mehr. Plötzlich fröstelte Romy. Sowohl Darragh als auch Kathryn wollten ihre Anteile, da derjenige, der die Mehrheit besaß, die Zukunft des Unternehmens bestimmen würde. Wie weit würden ihre Geschwister gehen, um die Anteile von ihr zu bekommen?
Jetzt mach mal halblang, murmelte Romy, als sie ins Wohnzimmer zurückging, wo Kathryn auf der Couch lag und ein Buch las. Schon möglich, dass sie mich hassen, aber ich darf jetzt nicht den Durchblick verlieren. Das ist keine Folge von Inspector Barnaby !
»Um wie viel Uhr kommt ihr Zug an?«
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