Und eines Tages kommt das Glück
Romy sich, ob das Ganze vielleicht ein abgekartetes Spiel gewesen war. Eigentlich glaubte sie es nicht, aber sicher konnte sie sich natürlich nicht sein. So wie die Sache gelaufen war, konnte man kaum glauben, dass es Zufall gewesen war. Und doch behaupteten das beide. Natürlich hätte sie mit Perry nach draußen gehen können, aber sie blieb im Saal und ließ sich ihren Drink schmecken, während Perry hinausging. Nicht eine Sekunde wäre Romy auf die Idee gekommen, dass die nächsten Minuten das Verhältnis zu ihrer Mutter für immer verändern würden.
Im Moment bereute sie es, die Karamellcremetorte gegessen zu haben. Allein bei der Erinnerung an damals wurde ihr wieder übel.
»Alles in Ordnung, Ro?«, fragte Colleen sanft.
»Ich glaube schon«, erwiderte Romy. »Ich meine, ja, natürlich, ich habe das alles längst verarbeitet, aber die Sache ist trotzdem ekelhaft.«
»Haben sie wirklich … du weißt schon? Ich kann das nicht glauben von deiner Mutter.«
»Sie ist eine Schlampe«, sagte Romy abschätzig. »Ihr ist alles zuzutrauen.«
»Oh, Ro, jetzt übertreib mal nicht«, protestierte Colleen. »Sie feiert nun mal gern, aber …«
»Kein Aber«, meinte Romy. »Es hat ihr einen Heidenspaß gemacht, es mitten auf dem Rasen im Park des Hotels mit meinem Freund zu treiben.«
Romy war in den Garten hinausgeschlendert, als sie ausgetrunken hatte, teils auf der Suche nach Perry, teils, weil sie die Wärme dieses lauen Sommerabends und den Geruch des Geißblatts in der Luft genießen wollte. Sie hatte die ungewohnt hohen Sandalen ausgezogen, die sie marterten, und war barfuß über das feuchte Gras gelaufen, als sie hinter einem Gebüsch ein Kichern hörte. Sie hatte noch gegrinst bei der Vorstellung, wer es wohl war, der dort hinten herumknutschte.
Im Vorübergehen hatte sie bewusst nicht in diese Richtung geschaut, aber aus dem Augenwinkel einen Blick auf ein Stück weiße Seide erhascht. Wie gebannt hatte sie daraufgestarrt und plötzlich begriffen, dass der weiße Stoff zum Rock des schwarzweißen Kleids gehörte, das Veronica an diesem Abend trug. Versteinert war sie stehen geblieben, unfähig, auch nur einen Schritt weiterzugehen.
Romy konnte nicht glauben, dass ihre Mutter (ihre Mutter, in Gottes Namen, die Frau war über fünfzig, kannte sie denn keinen Anstand?) wie ein Teenager im Gebüsch mit einem anderen »Grufti« herummachte. Sie, Romy, war hier der Teenager, und sie hätte sich niemals für eine schnelle Nummer in die Büsche verdrückt, wohl wissend, dass jeder sie dabei hätte erwischen können!
Und dann trat Veronica aus dem Gebüsch, gefolgt von Perry, und Romys Herz setzte fast aus. Sie starrte die beiden an. Es war das einzige Mal in ihrem Leben, dass sie ihre Mutter ernsthaft schockiert gesehen hatte.
»Scheiße«, fluchte Veronica.
»Oh, Mist«, murmelte Perry.
Und Romy brachte gar nichts heraus.
»Und hinterher?«, fragte Colleen, die sich mit ungläubigem Blick Romys Erzählung angehört hatte.
»Hinterher hat sie versucht, mir weiszumachen, dass gar nichts passiert ist – dass sie einfach zu viel getrunken hatte und er ihr …« Romy seufzte. »Sie hatten zusammen einen Joint geraucht – kannst du dir das vorstellen? Da soll sie mir ein Vorbild sein und kifft am einundzwanzigsten Geburtstag ihrer ältesten Tochter. Ich weiß, sie ist ein Kind der Sechzigerjahre, aber wenn sie unbedingt diese Erfahrung hat machen wollen, dann hätte sie sie damals machen können.«
»Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass man in den Sechzigern in Irland so ein Zeug überhaupt in die Finger bekommen hat«, erklärte ihr Colleen.
»Das heißt noch lange nicht, dass sie es gleich beim ersten Mal, als es ihr angeboten wurde, ausprobieren musste«, sagte Romy empört. »Sie hat gemeint, sie hat sich dabei so … so sexy gefühlt.«
Colleen verzog das Gesicht.
»Genau. Wer will schon, dass die eigene Mutter sich sexy fühlt! Und wenn, dann soll sie dieses Gefühl gefälligst mit jemandem in ihrem Alter ausleben.«
»Arme Romy.« Colleen ergriff ihre Hand und drückte sie. »Aber das ist doch ewig her. Das spielt jetzt keine Rolle mehr.«
»Weißt du, das kannst du leicht sagen. Und vom Kopf her weiß ich das auch. Aber das Problem ist, dass meine Mutter es für absolut normal hielt, sich meinen Freund zu schnappen und bei einer Familienfeier ins Gebüsch zu verschleppen. Jetzt mal ehrlich, Col, benimmt sich so eine normale Frau?«
»Eine normale Frau vielleicht nicht«,
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