Und erlose uns von dem Bosen
hatte er uns nicht gegeben.
24
Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika war an diesem Morgen um halb sechs Uhr bereits auf. Er hatte schon fast zwei Stunden Besprechungen hinter sich und war bei der vierten Tasse schwarzen Kaffees.
Das Nationale Sicherheitskomitee war seit halb vier Uhr in seinem Büro. Anwesend waren unter anderem die Leiter des FBI und der CIA sowie einige Experten der Geheimdienste. Alle nahmen den Wolf ernst.
Der Präsident fühlte sich ausreichend informiert für die nächste Besprechung, aber er war in diesen Dingen nie völlig sicher. Besonders dann nicht, wenn Politik in einer echten Notfallsituation ins Spiel kam.
»Okay â fangen wir mit diesem unglücklichen Zirkus an. Wollen wir?« Er wandte sich an seinen Stabschef.
Wenige Minuten später sprach er mit dem deutschen Kanzler und dem britischen Premierminister. Alle waren auf dem Bildschirm, alle ziemlich beunruhigt über diese Videokonferenz.
Der Präsident versuchte nähere Einzelheiten zu erfahren. Aber keiner der Geheimdienste der anderen Länder hatte etwas Konkretes über den Wolf oder seinen Aufenthaltsort. Er gab zu, dass das bedauerlicherweise auch auf die Vereinigten Staaten zuträfe.
»Endlich sind wir uns über etwas einig«, meinte der deutsche Kanzler süffisant.
»Allen ist klar, dass es den Wolf gibt, aber keiner hat einen Hinweis, wo er sich aufhält«, pflichtete ihm der Premierminister
bei. »Wir vermuten , dass er früher beim KGB war. Wir vermuten , dass er Ende vierzig ist. Das Einzige, was wir genau wissen, ist, dass er sehr clever ist. Das allerdings treibt uns schier zum Wahnsinn.«
Auf diese einzige Tatsache einigten sich alle â und sie einigten sich schlieÃlich auf noch etwas.
Es durfte keinerlei Verhandlungen mit dem Terroristen geben.
Irgendwie musste der Wolf zur Strecke gebracht werden.
Teil Zwei
Fehlgeleitet
25
Für den Wolf waren alle GroÃstädte gleich langweilig und antiseptisch. Kapitalismus und multinationales Business breiteten sich überall aus â ebenso wie die GroÃkriminalität. Der Wolf verbrachte einen Teil der Nacht, indem er in einer der wichtigsten Städte der Welt spazieren ging. Es spielte keine Rolle welche, da sich der Russe in fast allen gleich unwohl fühlte.
Heute Nacht war es zufällig Washington, D.C., und er plante die nächsten Schritte.
Niemand verstand den Wolf, kein einziger Mensch in der Welt. Selbstverständlich verstand nie einer den anderen, oder? Das wusste jeder vernunftbegabte Mensch. Aber niemand konnte das auÃergewöhnliche Ausmaà des Verfolgungswahns des Wolfs nachvollziehen. Etwas brannte in seinem Herzen seit langer Zeit â und das ausgerechnet in Paris. Es war beinahe körperlich, ein Gift im System. Das war seine Achillesferse. Und diese Paranoia, die Gewissheit, dass es am Ende nur den Tod geben konnte, führte zu einer Leidenschaft. Nicht gerade einer Liebe zum Leben, aber zu dem Bedürfnis, es voll auszureizen, ohne Rücksicht auf die Kosten zu gewinnen oder zumindest niemals zu verlieren.
So spazierte der Wolf durch die StraÃen im Zentrum Washingtons und plante weitere Morde.
Allein. Immer allein. Unablässig drückte er den schwarzen Gummiball in der Hand. Ein Talisman? Ironischerweise war der Ball der Schlüssel zu ihm. Der kleine schwarze Ball.
Zeit zu denken, zu planen, durchzuführen , sagte er sich selbst. Er war sicher, dass die Regierungen nicht auf seine Forderungen
hören würden. Sie konnten nicht nachgeben. Noch nicht, nicht so einfach.
Sie brauchten eine weitere Lektion. Möglicherweise mehr als eine einzige Lektion.
Warum nicht eine nächtliche Spazierfahrt in die AuÃenbezirke Washingtons, wo der Direktor des FBI, Burns, lebte?
Was für ein erstrebenswertes Leben dieser Mann mit seiner Familie zu haben schien. Das dachte der Wolf ganz ernsthaft.
Ein hübsches ordentliches Haus im Ranch-Stil â schlicht, irgendwie in Einklang mit dem amerikanischen Traum. Ein blauer Mercury in der Auffahrt. Fahrradständer für drei zweirädrige Vehikel. Ein Basketballkorb mit Glasplatte dahinter und ein groÃes weiÃes Viereck über dem Rand.
Sollte diese Familie sterben? Die Durchführung war ein Kinderspiel. Auch in gewisser Weise vergnüglich. Und Burns verdiente es wirklich.
Aber war das die wirkungsvollste Lektion?
Der Wolf war nicht sicher. Daher lautete die
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