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Und erlose uns von dem Bosen

Titel: Und erlose uns von dem Bosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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aus den Schatten. Ich hatte nicht mal gesehen, dass er dort gestanden hatte. Vielleicht war ich zu tief in Gedanken, zudem nur halb wach und ein bisschen sorglos.
    Jetzt trat er ganz aus dem Dunkel. Ich sah seine Waffe. Sie zielte auf mein Herz.
    Â»Eigentlich hätte ich inzwischen das Land verlassen sollen. Aber ich hatte da noch etwas zu erledigen. Nämlich Sie zu töten.
Ich wollte auch, dass Sie es kommen sehen. So wie jetzt. Von diesem Moment habe ich geträumt. Vielleicht Sie ebenfalls.«
    Der Sprecher war Geoffrey Shafer – großspurig und selbstsicher. Und er hatte eindeutig die Oberhand. Vielleicht dachte ich deshalb nicht darüber nach, was ich tun sollte. Ich zögerte nicht, sondern stürzte mich auf ihn. Dabei wartete ich auf den Knall des Schusses.
    Er kam. Aber der Schuss traf mich nicht. Jedenfalls glaubte ich das. Wahrscheinlich war der Schuss seitlich abgelenkt geworden. Doch das war unwichtig. Ich presste Shafer gegen das Gebäude hinter ihm. Ich erkannte Verblüffung und Schmerz in seinen Augen. Das war die Motivation, die ich brauchte. Außerdem war seine Waffe bei dem Gerangel zu Boden gefallen.
    Ich versetzte ihm einen kräftigen Schlag in die Mittelpartie, wahrscheinlich unter den Gürtel, vielleicht sogar gegen die Eier. Er stöhnte laut. Prima, ich hatte ihm wehgetan. Aber ich wollte Shafer noch weitaus mehr Schmerzen zufügen – aus vielen Gründen. Ich wollte ihn gleich hier auf der Straße umbringen. Ich landete noch einen Schlag in seinem Bauch. Ich spürte, wie er schlaff wurde. Dann ging ich gegen den Kopf des Dreckskerls los. Ich knallte meine Rechte gegen seine Schläfe. Dann die Linke gegen den Unterkiefer. Er war ziemlich übel verletzt, ging jedoch nicht zu Boden.
    Â»Ist das alles, was du drauf hast, Cross? Hier ist was für dich«, stieß er hervor.
    Er zückte ein Klappmesser. Ich wollte einen Schritt zurückgehen – aber dann wurde mir klar, dass er angeschlagen war. Das war meine beste Chance. Ich schlug wieder zu und traf Shafer auf die Nase. Knacks! Ich hatte sie ihm gebrochen! Er ging immer noch nicht zu Boden, sondern stieß mit dem Messer
um sich. Dabei schlitzte er mir den Ärmel auf. Mir wurde klar, wie verrückt ich war und welches Glück ich hatte, nicht verletzt oder tot zu sein.
    Ich hatte die Gelegenheit, meine eigene Waffe aus dem Holster hinten am Gürtel herauszuholen.
    Shafer griff mich an. Ich bin nicht sicher, ob er meine Waffe gesehen hatte. Vielleicht glaubte er, in London sei ich nicht bewaffnet.
    Â»Nein!«, brüllte ich, als hätte ich alle Zeit der Welt.
    Dann schoss ich ihn direkt in die Brust. Er prallte zurück gegen die Wand und glitt langsam zu Boden.
    Auf seinem Gesicht zeichnete sich schierer Schock ab, als ihm klar wurde, dass auch er sterblich war. »Wichser, Cross«, stammelte er. »Scheißkerl.«
    Ich beugte mich über ihn. »Wer ist der Wolf? Wo ist er?«
    Â»Fahr zur Hölle!«, krächzte er. Dann starb er und fuhr statt meiner dorthin.

69
    London Bridge is falling down, falling down, falling down.
    Wenige Minuten nachdem das Wiesel gestorben war, fuhr sein alter Armeekamerad, Henry Seymour, einen elf Jahre alten weißen Van durch die Nacht – und er dachte, dass er den Tod nicht fürchtete. Überhaupt nicht. Eigentlich begrüßte er ihn sogar.
    Kurz nach halb fünf herrschte auf der Westminster Bridge bereits reger Verkehr. Seymour parkte so nah wie möglich. Dann marschierte er zurück und stützte die Arme auf die Brüstung. Er blickte nach Westen. Er liebte den Blick von der großartigen alten Brücke auf Big Ben und die Houses of Parliament, seit er als kleiner Junge London bei Tagesausflügen von Manchester, wo er aufgewachsen war, besucht hatte.
    Heute Morgen betrachtete er alles ganz genau. Auf dem gegenüberliegenden Themse-Ufer sah er das London Eye, welches er abgrundtief verachtete. Die Themse war so dunkel wie der Himmel. Die Luft roch ein bisschen nach Salz und Fisch. Reihen pflaumenfarbener Touristenbusse standen leer neben der Brücke und warteten auf die ersten Passagiere dieses Tages, die in etwa einer Stunde eintreffen würden.
    Aber das wird heute nicht passieren. Heute nicht und nie mehr. Nicht, wenn der alte Henry heute Morgen Erfolg hat.
    Wordsworth hat über den Blick von der Westminster Bridge (er glaubte, dass es Wordsworth gewesen war) geschrieben: »Nichts

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