UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER
und Alex gingen zu Paps, der sich mit ein paar älteren Männern unterhielt und sein Pfeifchen schmauchte.
„Gute Nacht, Sir“, sagte Alex. „Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte.“
„Das war Rosas Idee“, entgegnete Paps kühl.
Rosa musste sich beherrschen, um nicht sofort aufzubrausen. „Was mein Vater sagen möchte“, sagte sie, „ist, dass du immer herzlich willkommen bist. Nicht wahr, Paps?“
In der Dunkelheit war sein Gesichtsausdruck schwer zu erkennen, doch er wirkte abweisend. „Ja“, murmelte er. „Bring sie gut nach Hause.“
Rosa und Alex sahen sich kurz an. „Wir fahren ins Kino nach Wakefield.“
„Jetzt?“, fragte ihr Vater. „Es ist schon spät.“
„Nein, ist es nicht. Es ist nicht mal neun.“ Sie wollte sich nicht mit ihm streiten. Nicht jetzt. Nicht vor Alex. Doch die Art, wie er sie ansah, machte sie traurig. Sie ging demnächst von zu Hause weg, und ihr Vater würde bald ganz allein sein. Die Vorstellung hatte für Rosa plötzlich etwas Beunruhigendes an sich.
Tu es nicht, flüsterte ihr eine innere Stimme zu. Doch sie musste es tun. Sie musste hinaus in die Welt und sich ihr Leben aufbauen, und Paps zu verlassen war ein Teil dieses Prozesses. Alle machten das. Alle gingen von zu Hause weg, es ging ihnen gut, und auch ihren Familien ging es gut. Und genau so würde es auch werden – gut.
28. KAPITEL
Auf dem Weg zum Auto folgten Rosa und Alex nicht wenige missbilligende Blicke.
„Es muss schrecklich für dich gewesen sein“, sagte sie. „Es tut mir leid.“
„War doch ganz nett.“
„Lügner. Du bist ein furchtbar schlechter Lügner, weißt du das?“
„Ja, ich weiß. Deshalb sage ich dir auch immer die Wahrheit, Rosa. Ich wollte sagen, dass es irgendwie kein richtiges Fest war, doch das war es natürlich schon. Nur eben nicht meine Art von Fest.“
Aber meine, dachte sie.
„Tut mir leid wegen Paulie di Carlo“, sagte sie.
„Mach dir keine Sorgen. Mit offener Feindseligkeit kann ich umgehen. Nur …“ Er drehte das Radio lauter, aus dem gerade „Walking on Broken Glass“ zu hören war.
„Nur?“
Er fuhr langsam vom Parkplatz auf die Straße. „Ich kann es kaum erwarten, bis wir beide weg von zu Hause sind.“
Wieder überkam sie dieses merkwürdige Gefühl, das sie vorhin bei Paps gehabt hatte. Vielleicht kannte Alex gar keine familiäre Vertrautheit oder das Gefühl von Geborgenheit, das für sie selbst auch beim Picknick zu spüren gewesen war. Vielleicht fühlte er sich unwohl dabei. Und obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie ebenfalls froh war, von zu Hause wegzukommen, sagte sie: „Mhm, ich auch.“
Sie lehnte den Kopf an die Kopfstütze und starrte hinaus in die Nacht, die am Fenster vorbeizufliegen schien. In der Ferne blinkte gleichmäßig und ruhig das Signal des Leuchtturms, und sie fragte sich, wie es wohl sein würde, umgeben von den Lichtern der Stadt zu leben. Noch hatte sie keine einzige Nacht irgendwo anders verbracht, und obwohl sie wusste, dass sie es im Grunde wollte, verunsicherte die Vorstellung sie.
„Was hast du?“, fragte Alex.
Sie sah ihn an und lächelte. Er spürte jede ihrer Stimmungen. „Ich bin nicht wie du“, gestand sie ihm. „Ich war noch nie woanders als hier.“
„Heißt das, du möchtest nicht fort?“ Er klang erstaunt und drehte das Radio leiser.
„Hier ist es schön.“
„Sicher, aber da draußen wartet eine ganze Welt auf dich.“
Hier gibt es auch eine ganze Welt, dachte sie, während sie hinaus auf die Salzmarsch sah, an der sie gerade vorbeifuhren. „Für dich ist es anders“, sagte sie. „Wenn du weg bist, haben deine Eltern immer noch einander, aber mein Vater ist allein.“
Er hatte sein Handgelenk an das Lenkrad gestützt und starrte geradeaus. „Das mit meinen Eltern stimmt eigentlich nicht.“
„Wie meinst du das?“
„Sie haben einander nicht. So war es nie.“
Rosa lief es kalt den Rücken hinunter. Ließen sich die beiden scheiden? Die Eltern vieler ihrer Freundinnen ließen sich scheiden. Alle sagten immer, es wäre am besten so, und vielleicht hatten sie ja recht. Doch danach war nichts mehr, wie es einmal war. Vince, dessen Eltern sich vor ein paar Jahren hatten scheiden lassen, sagte, es wäre so, als würde man versuchen, ein abgebranntes Haus wieder aufzubauen. In bestimmter Weise wurde eine Familie zerrissen – genau so, wie es Rosa beim Tod ihrer Mutter erlebt hatte.
„Trennen sie sich?“, fragte sie.
„Nein, sie würde ihn niemals verlassen. Nie im
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