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UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER

UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER

Titel: UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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lachte laut, als er sich das Gesicht abwischte. Ihn so lachen zu hören machte Rosa so fröhlich, wie sie es schon seit Wochen nicht mehr gewesen war. Vielleicht sogar seit Monaten nicht. Als sie nun so auf den Felsen hockten, spürte sie, dass sich etwas verändert hatte. So als hätte der Wind gedreht. Sie waren nicht mehr nur zwei Kinder am Meer. Sie waren Freunde.
    Sie setzte sich auf ihre Fersen und sah zum strahlend blauen Himmel hinauf. Drei Möwen zogen direkt über sie hinweg. Rosa wandte den Blick schnell ab. Mamma war sehr abergläubisch gewesen. Drei nebeneinander fliegende Möwen direkt über einem kündigen an, dass bald jemand sterben wird.
    Mamma war für Rosa der erste Mensch gewesen, der gestorben war. Sie hatte geglaubt zu wissen, was der Tod bedeutete: ein Vogel, der aus seinem Nest gefallen war. Ein Ratte am Straßenrand, über der Fliegen schwirrten. Ja, ihre Großeltern waren gestorben, aber das zählte nicht, denn sie hatte sie nicht gekannt. Sie waren in Italien – aus einer Gegend, die Kalabrien hieß und von der ihre Eltern als „die alte Heimat“ sprachen.
    Einmal, als die Großeltern noch gelebt hatten, hatte sie Paps gefragt, warum er seine Eltern in Italien nie besuchte. „Man kann nicht zurück“, hatte er gesagt. „Das wäre viel zu kompliziert.“
    Rosa war es egal gewesen. Sie hatte nie nach Italien gewollt. Ihr gefiel es genau da, wo sie war.
    „In welche Schule gehst du?“, erkundigte sich Alex.
    „St. Mary’s.“ Sie kräuselte die Nase. „Meiner Meinung nach ist Schule langweilig. Und in der Kantine würgt es mich immer.“ Immer wenn sie nach dem zweiten Läuten der Schulglocke das Morgengebet sprechen mussten, hatte sie sich ganz besonders für Mammas Pausensnacks bedankt – Hähnchensalat mit Kapern oder manchmal auch Provolone, der italienische Hartkäse, und Olivenbrot oder hin und wieder ein Stück Kuchen und Weintrauben. In der Serviette hatte sie immer ein Zettelchen mit einer kurzen, aufmunternden Nachricht vorgefunden. „Lächle!“ oder „Nur noch zwölf Tage bis zu den Sommerferien!“
    „Ich mag Sport“, erklärte sie Alex, weil sie nicht wollte, dass er sie für ein komplettes Weichei in der Schule hielt. „Ich kann ziemlich schnell laufen, und ich gewinne gern. Meine großen Brüder haben mir alles beigebracht, was sie können – was ganz schön viel ist. Ich spiele Fußball im Herbst, im Winter gehe ich schwimmen, und im Frühjahr spiele ich Softball. Welche Sportarten magst du gern?“
    „Alles verboten.“ Er ließ seine Hand durch das kristallklare Wasser gleiten. „Bei diesen Dingen komme ich immer ins Keuchen.“ Dann verfiel er in Schweigen. Rosa beobachtete, wie der Wind sein glänzendes blondes Haar durcheinander wirbelte. Er sah aus wie eine Figur aus einem Märchenbuch. Ein bisschen wie Hänsel, der sich im Wald verirrt hatte.
    Nach ein paar Minuten sah er sie mit meerblauen Augen an. „Deine Mom ist gestorben, nicht wahr?“
    Rosa gab es einen kleinen Stich ins Herz. Sie brachte kein Wort heraus, also nickte sie bloß.
    „Mrs. Carmichael hat es mir heute Morgen erzählt.“
    Rosa zog die Knie an die Brust, und während sie auf die Wellen schaute, die gegen die Felsen krachten, spürte sie, dass auf einmal etwas in ihr aufbrach. „Ich vermisse sie so schrecklich.“
    „Ich hatte Angst, es anzusprechen, aber … Aber es ist okay, wenn du darüber reden möchtest.“
    Sie wollte den Kopf schütteln und vom Thema ablenken, doch das war auf einmal nicht mehr möglich. Alex hatte damit angefangen, und nun schien es wie mit der Flut zu sein: Das Thema ließ sich nicht zurückdrängen. Und zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie plötzlich das Bedürfnis, darüber zu reden. „Hm“, sagte sie, „hm, das ist eine lange Geschichte.“
    „Im Sommer sind die Tage lang“, erwiderte er. „Die Sonne geht heute Abend erst um 20 Uhr 14 unter.“
    Sie stützte ihr Kinn auf die Knie und starrte aufs Meer hinaus. Normalerweise versuchte sie nicht über den Tod ihrer Mutter zu reden. Bei diesem Thema fühlten sich ihre Brüder merklich unwohl, und Paps weinte manchmal. Das machte Rosa Angst. Doch jetzt, da sie spürte, wie Alex sie unverwandt ansah, hatte sie überhaupt keine Angst.
    „Als Mamma krank wurde“, begann sie, „habe ich mir anfangs gar keine Gedanken gemacht, weil man ihr die Krankheit überhaupt nicht angemerkt hat. Sie ist zu ihren Behandlungen gegangen, ist wieder nach Hause gekommen und hat dann ein Schläfchen gemacht.

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