UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER
Doch nach einer Weile wurde es schwierig für sie, so zu tun, als wäre alles okay.“ Rosa dachte an jenen Tag, als ihre Mutter zum letzten Mal aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen war. Als sie ihr leuchtend blaues Kopftuch abnahm, hatte sie so bleich und kahl ausgesehen wie ein Baby. Das war der Moment gewesen, ab dem Rosa es schließlich mit der Angst zu tun bekommen hatte. „Dann sind die Nonnen gekommen …“
„Katholische Nonnen?“, fragte Alex nach.
„Ich glaube, es gibt keine anderen.“
„Dann bist du also katholisch?“
„Mhm, du auch?“
„Nein, ich glaube, ich bin gar nichts. Aber ich möchte hören, was diese Nonnen gemacht haben, die zu euch gekommen sind.“
„Sie haben bei meiner Mutter im Schlafzimmer gesessen und gebetet. Mein Vater ist immer wortkarger geworden und war meistens ziemlich gereizt.“ Näher würde Rosa das jetzt nicht ausführen. Jedenfalls nicht heute. „Meine Brüder wussten nicht, was sie tun sollten. Rob ist in Mammas Garten gegangen, in dem sie nichts mehr gepflanzt hatte, weil sie schon zu krank dafür war, und hat mit einem Buschmesser die ganzen Brombeersträucher niedergemäht.“ Rosa hatte das Bild noch genau vor sich, wie sich auf Robs Gesicht dabei die Tränen mit seinen Schweißperlen vermischt hatten, obwohl es Winter gewesen war. „Und Sal hat in der St. Mary’s Kirche so viele Kerzen angezündet, dass Pater Dominic ihm gesagt hat, er müsse ein paar Kerzen ausblasen, damit kein Feuer ausbricht.“
Natürlich hatte nichts davon geholfen. Gar nichts hatte geholfen.
„Mamma hat gemeint, wir hätten Glück, dass wir uns verabschieden könnten, aber ich habe mich nicht glücklich gefühlt.“ Rosa drückte ihr Handgelenk so fest auf den Stein, dass es wehtat. Ihre Mutter war zu schwach gewesen, um ein Buch zu halten, also hatte Rosa sich neben sie ins Bett gelegt und mit ihr „Grandfather Twilight“ gelesen. Es war ein merkwürdiges und ungewohntes Gefühl gewesen, diejenige zu sein, die vorlas.
„Sie ist am Valentinstag gestorben“,erklärte sie Alex.„Eine Woche nach meinem neunten Geburtstag. Viele verschiedene Leute sind zu uns gekommen, und die Nachbarinnen haben Essen vorbeigebracht, aber das meiste davon ist im Kühlschrank schlecht geworden, weil niemand von uns Hunger hatte. Ein paar Frauen haben gleich begonnen, meinen Vater anzubaggern. Sie wollten, dass er sofort wieder heiratet.“ Es schüttelte sie bei der Erinnerung.
„Mrs. Carmichael findet, dass er wie Silvester Stallone aussieht. Ich habe gehört, wie sie es am Telefon jemandem erzählt hat.“
Rosa verdrehte die Augen. „Er sieht einfach nur wie Paps aus.“
Eine eiskalte Welle umspülte Rosas Füße und durchnässte Alex’Turnschuhe.
„Die Flut kommt. Wir sollten besser wieder zurückgehen“, schlug er vor.
„Okay.“ Sie stand auf und streckte ihm ihre Hand entgegen.
„Ich schaffe es schon.“
Während sie den öffentlichen Strand entlanggingen, sah sie zum Himmel hinauf. Es war noch nicht wirklich spät. „Glaubst du, wir sollten uns beeilen?“
„Nein, aber meine Mutter mag es nicht, wenn ich zu spät zum Essen komme. Wenigstens müssen wir uns im Sommerhaus zum Abendessen nicht anziehen wie in der Stadt immer.“
„Soll das heißen, ihr esst nackt?“ Rosa fiel vor lauter Lachen um und landete im Sand, der von der Sonne ganz warm war.
„Haha, sehr witzig“, sagte er und bemühte sich, ganz ernst zu wirken. Doch dann ließ er sich neben sie in den Sand fallen und lachte mit. Nun hatte er es eindeutig nicht mehr eilig, nach Hause zu kommen. Sie sahen den Windsurfern zu, die über die Wellen glitten, und beobachteten ein paar Familien, die am Strand ein Picknick machten und die Möwen fütterten. Alex fand ein Stück Treibholz und begann damit, einen tiefen Graben in den Sand zu ziehen. Rosa baute eine Burg. Es war keine besonders gelungene Sandburg, daher nahmen sie es auch nicht tragisch, als eine Welle sie bald wegspülte. Rosa sprang rechtzeitig auf, doch Alex war nun von Kopf bis Fuß nass.
„Oh, ziemlich kalt“, sagte er, doch er grinste dabei. Als er aufstand, sah sie, dass er etwas in der Hand hielt. Er beugte sich vor und ließ es von einer Welle abspülen. „Eine Nautilusmuschel. Ich habe noch nie eine gefunden.“
Es war ein richtiges Prachtexemplar, groß und wunderschön. Alex konnte es nicht wissen, aber diese Muscheln waren Mammas Lieblingsmuscheln. Sie sind ein Symbol für Frieden und Harmonie, hatte sie immer gesagt.
„Du
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