Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und ewig währt die Hölle (German Edition)

Und ewig währt die Hölle (German Edition)

Titel: Und ewig währt die Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjetil Try
Vom Netzwerk:
oder er hatte es dringend nötig … Und dann dieses «Sei ganz lieb umarmt». Was war das für ein Typ, der andauernd mit «liebsten» Grüßen und Umarmungen um sich warf?
    Ich muss das ansprechen, wenn wir uns sehen, dachte sie und stellte im selben Moment fest, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte. Sie legte sich ein grünes Gummibärchen auf die Zunge, presste es an den Gaumen und saugte vorsichtig daran.
    Selbstsicher und ungeduldig. Nicht notwendigerweise schlechte Eigenschaften.
    Dann beschlich sie leiser Zweifel. Sollte sie sich wirklich nach ein paar Mails mit einem fremden Mann treffen? Was sagte das über sie aus? Sie klickte auf den Dateianhang seiner vorigen Mail. Die Ärmel seines roten Hemdes waren aufgekrempelt, und ein dünnes Handkettchen war zu sehen, sicher Gold, dachte sie, und eine Armbanduhr, die schlicht, aber edel aussah.
    Was in aller Welt macht dieser Mann im Internet, dachte sie wieder. Trifft sich an fünf Tagen die Woche mit Frauen? Sie zerbiss das Gummibärchen und schluckte. Das würde sie in Sekundenschnelle herausfinden. Ein Abendessen hätte ich abgelehnt, sagte sie sich. Ein Mittagessen war unverbindlich und weniger verkrampft, falls es schiefging. Plötzlich fühlte sich alles richtig an. Sie ertappte sich dabei, dass sie lächelte. Aber was um Himmels willen sollte sie zu einem Date mit einem Mann aus der Finanzbranche anziehen? Parisa ahnte einen feinen Unterschied: Manche arbeiteten in der Finanzbranche, andere waren in der Finanzbranche. Über die Machtverhältnisse war sie sich im Klaren.
    Ihre Gedanken wurden vom Klingeln ihres Handys unterbrochen. Der Chef war dran, und er verlor keine Zeit.
    «Nadija Hadzic hat direkt vor ihrem Tod drei Telefonnummern gewählt.»
    «Aha?»
    Parisa umklammerte das Handy automatisch fester.
    «Ein Gespräch mit Kvamme um 18.52 Uhr. Das dauerte bis 18.54 Uhr. Dann rief sie um 18.56 Uhr eine Nummer in Bosnien an, da nahm aber niemand ab. Anschließend wählte sie die Nummer in Bosnien noch einmal, mit demselben Ergebnis. Um 19.04 Uhr rief sie die Auskunft an und bat darum, mit der Polizei verbunden zu werden.»
    «Und die Nummer in Bosnien?»
    «Gehört ihrem Bruder Fadil.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 24
    Rolf Lykke starrte aus dem Fenster. Er hatte einen guten Blick auf das knapp hundert Meter entfernt liegende ehemalige Zuchthaus, das durch einen unterirdischen Gang – den «Korridor», wie Lykke zu sagen pflegte – mit dem Polizeipräsidium verbunden war.
    Es hatte aufgehört zu schneien, aber der Wind schien nicht nachlassen zu wollen, im Gegenteil. Er fegte von Enerhaugen herüber und nahm auf seinem Weg durch das schmale Grønlandsleiret kräftig Fahrt auf. Die Straßenlaternen vor dem Döner-Imbiss am alten Tankstellengelände schwankten wie Bambusrohr, und gerade trieben die Böen einen Mülleimer scheppernd über die Kreuzung an der Hollendergata. Für einen Moment dachte Lykke an seinen wackligen Bootssteg in Bohuslän.
    Es klopfte an der halboffenen Tür. Lykke hatte die Schritte schon auf dem Gang gehört.
    «Herein!»
    «Genießen Sie den Winter?» Polizeidirektorin Anne Breiby blieb neben dem Schreibtisch stehen. Sie trug einen Plastikhefter mit blauem Rücken unter dem Arm.
    Lykke antwortete nicht sofort. Er wurde immer wachsam, wenn Breiby ihn in persönlichem Ton ansprach.
    «Ich war gerade in der Nähe und sah, dass die Tür offen stand», fuhr sie fort.
    Lykke wusste, dass das nicht stimmte. Anne Breiby lief nie ohne Zweck und Ziel durchs Haus.
    «Sehen Sie dort im ersten Stock das dritte Fenster von links?» Er zeigte auf das alte Zuchthaus.
    Breiby kam einige Schritte näher und nickte.
    «Mein Großvater hat 1925 neun Monate dort gesessen, verurteilt wegen Aufwiegelei, wegen einer Schlägerei mit Streikbrechern während eines Massenstreiks in Trondheim.»
    «Ach, das wusste ich nicht.» Die Polizeidirektorin sah wirklich überrascht aus. «Es gibt sicher einiges, was ich nicht von Ihnen weiß, Rolf.»
    «Er ist drei Jahre vor meiner Geburt gestorben.»
    «Tatsächlich …»
    Das Gespräch nahm offensichtlich eine andere Wendung, als Breiby gedacht hatte.
    «Das Arbeiderbladet nannte es ein ‹ungeheuerliches Urteil gegen die Arbeiterklasse›», fuhr Lykke fort. «Ihm wurde auch das Recht aberkannt, weiterhin als Postbote zu arbeiten. Das hat ihn wohl am meisten getroffen.»
    Es wurde still.
    Anne Breiby räusperte sich.
    «Ich muss etwas mit Ihnen besprechen.» Sie hielt einen Moment inne, so als sei es

Weitere Kostenlose Bücher