Und ewig währt die Hölle (German Edition)
Gedanken kaum zu Ende gedacht, als der Kommissar auch schon leicht außer Atem in der Türöffnung auftauchte.
«Tut mir leid, Ida brauchte eine Spritze …»
Lykke ließ sich auf den Stuhl am Tischende fallen und kramte in seiner abgewetzten Aktentasche.
«Was Ernstes?» Lasse Viker blickte seinen Chef besorgt an.
«Äh …» Lykke blickte von seiner Tasche auf. «Überhaupt nicht. Nur eine Impfung gegen Zecken.»
«Kann man sich gegen Zecken impfen lassen?» Lasse Viker kippelte mit dem zierlichen Stuhl.
«Ja, oder, besser gesagt, man kann sich gegen eine Krankheit impfen lassen, die durch Zeckenbisse übertragen wird, FSM oder wie das heißt, eine Art Hirnhautentzündung.»
«Aber nicht gegen so was wie Borrelose?» Ted Eriksen sprach jetzt, nachdem Kuvås in die Gruppe gekommen war, mit einer fast noch tieferen Stimme.
«Das heißt Borreliose.» Lykke stapelte einen Papierhaufen vor sich auf und sah Ted Eriksen an. «Nein, das ist richtig, gegen Borreliose kann man sich nicht impfen lassen.»
Viker räusperte sich.
«Gut, dann wissen wir das nun auch.»
Es klopfte, und eine Polizeianwärterin öffnete die Tür. «Polizeistation Risør», sagte sie und reichte ein Mobiltelefon in den Raum.
Lykke erhob sich.
«Danke.»
Eine halbe Minute lang hielt er das Handy ans Ohr gepresst und lauschte stumm, dann gab er es wortlos an die junge Frau zurück, die den anderen einen fragenden Blick zuwarf, ehe sie die Tür eilig hinter sich schloss.
«Was war denn?» Lasse Viker kippelte wieder mit seinem Stuhl.
«Kvamme hat darum gebeten, seiner Tochter an einer Tankstelle kurz hinter Brevik ein Eis kaufen zu dürfen», sagte Lykke. «Und ist abgehauen.»
«Wie bitte?»
«Beide sind spurlos verschwunden.»
Weder der Polizeichef des Polizeidistrikts Agder noch die beiden Beamten, die Kvamme und seine Tochter begleitet hatten, konnten bei der rasch zusammengerufenen Telefonkonferenz um elf Uhr in Lykkes Büro viel zum Hergang des Vorfalls sagen.
Kvamme war um sieben Uhr von einer zivilen Streife abgeholt worden. Zuerst hatte er heftig protestiert. Was dazu geführt hatte, dass er dann doch einlenkte, wurde nicht näher erläutert. Und die Antworten auf die Frage, wie es möglich war, dass ein Mann in Begleitung seiner zehnjährigen Tochter vor den Augen von zwei Polizisten spurlos verschwinden konnte, waren beinahe noch diffuser. Vieles deutete darauf hin, dass er einfach irgendeinen Autofahrer an der Tankstelle um eine Mitfahrgelegenheit gebeten hatte und sich unbeobachtet in ein fremdes Auto retten konnte. «Wir haben nicht damit gerechnet, dass die beiden versuchen würden zu fliehen», hieß es lapidar.
Lykke hatte zweimal tief durchgeatmet und aufgelegt. Nach Kvamme wurde jetzt landesweit gefahndet, alle Flughäfen, Bahnhöfe und Fähranleger wurden überwacht. Ted Eriksen stand in Kontakt mit der Polizei in Dänemark und Schweden. Am meisten beschäftigte Lykke im Moment, dass auch Kvammes Fußballkumpel wie vom Erdboden verschluckt schien. Genauer gesagt: Nach Angaben eines Arbeitskollegen befand er sich auf einem verlängerten Wochenendausflug in London. Lykke hatte versucht, den Mann per Handy zu erreichen, bisher jedoch ohne Erfolg. Wahrscheinlich saß er gerade im Flugzeug. Der größte Teil des Vormittags war dafür draufgegangen, frühere Spuren erneut zu überprüfen und noch einmal die Nachbarn im Haus in der Tøyengata zu befragen. Even Bugge, einer von Kvammes Bridgefreunden aus Belgrad, konnte auch nichts Neues zu dem Fall beitragen. Er hatte sich innerhalb von fünfundvierzig Minuten nach dem Anruf auf dem Polizeipräsidium eingefunden und war die Freundlichkeit in Person. Ein in jeder Hinsicht durchschnittlicher Bürokrat des Außenministeriums, ungefähr Anfang fünfzig, mit hellblauen Augen und wachem Blick. Er trug einen teuren, maßgeschneiderten Anzug, der die überflüssigen Pfunde um die Leibesmitte jedoch nicht verbergen konnte. Bugge beschrieb sein Verhältnis zu Gisle Kvamme und Nadija Hadzic als sehr gut. Ja, sie hatten Bridge gespielt, und tatsächlich nach Gorens Punktesystem. Nach zwölf Minuten mit dem Mann hatte Lykke genug gehört.
Ted Eriksen hatte ein weitreichendes Kontaktnetz auf dem Balkan aufgebaut, außerdem konferierte er wegen der Suche nach Nadija Hadzics Bruder ständig mit Interpol. Bisher ohne Ergebnis.
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Kapitel 26
Parisa verlangsamte ihre Schritte vor dem Geschäft von Ferner Jacobsen und betrachtete ihr Spiegelbild in den großen
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