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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Liebesdrama. Und wäre das Leben hier nicht viel leichter zu ertragen – wenn sie sich wenigstens ab und zu auf Sebastian freuen könnte?
    Plötzlich lächelte sie. Es gab ja auch in ihrem Leben Dinge, auf die sie sich freute. Der Unterricht fiel zurzeit ja eher weg – so abweisend und gequält sich Pater Arno in diesen Tagen gebärdete. Doch nachher würde Katharina wieder zu ihr kommen. Heute hatten sie wieder einiges zu besprechen.
    „Hörst du das?“ Katharinas flüsternde Stimme ließ Mathilda aufhorchen.
    „Die Glocke?“ Die anders läutete. Nicht wie zu Sexta.
    „Das ist die Totenglocke.“ Katharinas Gesicht leuchtete. „Elisabeth wird zurückkommen“, fuhr sie fort, noch ehe Mathilda ihre Freude für verrückt erklären konnte.
    „Heute?“ Auch sie selbst hatte eindeutig andere Sorgen als das Wohlergehen der armen Kammerzofe, die offenbar von ihnen gegangen war.
    „Zunächst einmal wird sie wohl bei der Infirmarin bleiben müssen. Aber sie wurde ja ausdrücklich der Glaubrechtin zugeteilt. Also wird sie sicherlich morgen im Kapitel abgerufen.“ Sie dachte gar nicht daran, ihr Strahlen zu verbergen.
    Mathilda seufzte. Naja, wenigstens heute Abend würde ihre Freundin ihr noch erhalten bleiben.
    „Wir bleiben und erwarten das Totengebet“, erhob Schwester Öflerin in diesem Moment ihre Stimme.
    Katharina lächelte zufrieden.

Traum und Wirklichkeit
     
     
    Genau wie im Traum. Sie war der Frau in seinen Träumen so erschreckend ähnlich. Ihre reine Freude. Arno war ganz schwindelig davon geworden. Regelrecht aufgeleuchtet hatte ihr Gesicht, als sie – umgeben von lauter weißen Nonnenschleiern auf der Treppe vor dem Skriptorium – ihn erkannt hatte. Nur ganz kurz. Ehe er – an ihr vorbeigestürzt war, in die Bibliothek, weiter, in seine Kammer. Der Weg dorthin hatte die Schwäche aus seinem Kopf zum Glück vertrieben. Und die Frustration wieder in den Vordergrund geholt.  
    Sein kostbarer Vortrag, auf den er doch einiges an Hoffnung gesetzt hatte – war schlicht ein Reinfall gewesen. Überall im Skriptorium und bis in den Flur hinaus sich eng zusammenquetschende Nonnen, die die Letzten in der Rangfolge erbarmungslos abdrängten. Wie sollte in diesem Gewühl ein Mann auf eine davon aufmerksam werden – die als eine dieser Letzten auf der Treppe stand?
    Verdrossen ließ er sich in Mantel und Stiefeln – alles andere wäre zu kalt gewesen – auf sein Bett fallen.
    Bis dieser übergroße Andrang bei den Vorträgen abebbte, würde es eine Zeitlang dauern. Zeit, die er nicht hatte. Was konnte er tun?
    Die Vortragsinhalte spezieller wählen, um die Allgemeinheit abzuschrecken? Nur dass diese wahrscheinlich gerade die jungen Leute, um die es ja ging, fernhalten würde ...
    Aber sonst? Wie sollte er sonst dafür sorgen, dass Mathilda inmitten eines überschaubaren Kreises einen Ehrenplatz am Klausurgitter erhielte – unmittelbar neben demjenigen, welcher ...?
    An diesem Punkt verfing er sich. Er wand sich, versuchte, seine Gedanken freizubekommen, sie wandern zu lassen. Sonst pflegte er Bilder heraufzubeschwören. Zuerst von seinem angestrebten Ziel – Mathildas Augen, die an denen eines der Mönche hängenblieben. Dann von Ereignissen, die dazu geführt haben könnten – einer Szene im Frauenkonvent, einem Gespräch mit der Örtlerin, in dem Arno sie überzeugte, einer Bemerkung Palgmachers, für den es nichts gab, was unmöglich wäre ... Auf diese Weise kam Arno immer irgendeine zündende Idee. Diesmal gelang es ihm nicht. Er konnte nichts sehen, so sehr er sich auch bemühte. Nicht Mathilda am Gitter, nichts anderes als Mathilda – er konnte nicht vorbeisehen an dem, was er nicht sehen wollte. Dem Leuchten in ihrem Gesicht. Als sie erkannt hatte ...
    Mit einem heftigen Ruck setzte er sich auf. Erst da realisierend, dass er etwas hörte. Das war – die Totenglocke. Unverkennbar an ihrem monotonen, mahnenden Klang. Jemand war gestorben? Jetzt? Noch während Wolfgang dort drüben ...? War eine der Nonnen, in deren aufgewühlte Gesichter er gesehen hatte, vor Erregung tot umgefallen?
    Er musste in die Kirche. Die Totenglocke rief sämtliche Mitglieder beider Konvente auf, alles stehen und liegen zu lassen und sich unverzüglich in die Kirche zu begeben – zum traditionellen Totengebet. Er seufzte. Eigentlich war ihm diese Unterbrechung doch gar nicht mal so unwillkommen.
     
    'Die alte Glaubrechtin ist von uns gegangen', war trotz des obligatorischen Silentiums in aller Munde, als Arno dort

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