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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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anlangte. Beinahe hätte er seinen eigenen sarkastisch verzogen. Musste er das persönlich nehmen? Dass diese alte Nonne sich – nach all den Jahren, die sie schon dahinsiechte – ausgerechnet Mathildas Stunde zum Sterben hatte aussuchen müssen?
    Ein sehr ungewohnt verstört dreinblickender Sandizell kam von unten herein, gefolgt von Palgmacher, der mit beiden Händen seinen obligatorischen Ölungslumpen bearbeitete. Diesmal hatte er keine Gelegenheit gehabt, seine Pflicht, der Verstorbenen die Letzte Ölung zukommen und sie anschließend in den Frauenchor geleiten zu lassen, an Arno abzutreten.
    „'Wir haben die Regeln gebrochen, indem wir die beiden Konvente unziemlicherweise vermischt haben – und sofort hat ER zugeschlagen und die Schwächste von uns geholt!'“, raunte Palgmacher mit künstlich hoher Stimme Arno im Vorübergehen zu. „Zitat Steudlin. Und die Örtlerin war schon die ganze Veranstaltung über derart verkniffen – der kam der Teufel ganz gelegen! Ich sehe leider schwarz, was die Zukunft Eurer hübschen Idee betrifft, Wayden.“
    Arno hielt seine Miene gleichmütig. Doch der Prior hatte recht. Wenn nicht die spielverderberische Ader der Örtlerin allein der Vortragsreihe den Garaus gemacht hätte – die Glaubrechtin hatte allem den Rest gegeben. Was das für den Fortgang seines Plans bedeutete – darüber wollte Arno jetzt nicht nachdenken.
    „Übernehmt Ihr?“, wurde er von Palgmacher angestoßen. „Ich habe eben schon singen müssen.“
    Arno seufzte. Lauschte hinüber zum Frauenchor, wo alles bereits ruhig auf seine Stimme wartete.
    „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir: Herr, höre meine Stimme! Wende dein Ohr mir zu, achte auf mein lautes Flehen!“  
    Sandizell wischte sich die Augen. Er trauerte tatsächlich? Um eine Frau, die in seinem weltlichen Leben seinem Gesinde angehört hatte?„Würdest du, Herr, unsere Sünden beachten, Herr, wer könnte bestehen?“, antworteten die Nonnen. Elisabeths Stimme rief Arno ins Gedächtnis, dass deren Isolation vorbei war. Da würden die Örtlerin und er sich etwas Neues ausdenken müssen...
    „Doch bei dir ist Vergebung, damit man in Ehrfurcht dir dient“, stimmte er rasch in den Chor der Mönche ein und erwartete die Erwiderung: „Ich hoffe auf den Herrn, es hofft meine Seele, ich warte voll Vertrauen auf sein Wort.“
    Sandizell schluchzte auf. Arno rümpfte jetzt endgültig die Nase. Der adlige Laienbruder war ihm schon immer impulsiv und kindlich vorgekommen – dieser Gefühlsausbruch nun war aber doch eindeutig übertrieben, oder? Immerhin galt diese Trauer einer Frau, die er jahrelang nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte und auch davor nur schemenhaft aus der Ferne. Und währenddessen hatte er sich, zu Arnos Zeiten jedenfalls, lieber mit seiner speziellen Freundin Ursula abgegeben.
    Überhaupt. Sandizells innere Beweggründe waren Arno von je her suspekt. Warum war der damals noch recht junge Graf Mönch geworden? Heute war Wolfgang ein alter Mann, dem das ruhige und geregelte Klosterleben natürlicherweise entgegenkam. Früher war das anders gewesen – und der umtriebige Graf ständig angeeckt, weil er seinen eigenen Interessen nachgegangen war, anstatt sich darum zu kümmern, was von ihm als Birgittenmönch erwartet wurde.
    Daher hatte Arno dessen Klostereintritt auch nie als das gottesfürchtige Opfer ansehen können, als welches die Örtlerin es gern hinstellte. Derartige, in adligen Kreisen übliche religiöse Ambitionen hätte er mit der Klostergründung als solches bereits genüge getan. Ins Kloster eingetreten war er aus einem seiner persönlichen Bedürfnisse heraus, davon war Arno überzeugt. Und warum sollten Ehegatten das Bedürfnis haben, sich gegenseitig 'freizugeben' – wenn nicht zumindest einem von ihnen diese fromme Art der Scheidung gelegen wäre?
    Doch, die näheren Umstände des Sandizell'schen Eintritts – mit deren Dienerin, der Glaubrechtin, im Schlepptau – hatten Arno schon immer interessiert. Eva war lange vor seiner Zeit gestorben und Wolfgang beichtete nur, wenn er musste, und nie etwas Verfängliches – was in diesen Tagen doch auch ausschließlich mit seiner langjährigen Ursula zu tun haben könnte.
    Als die Glaubrechtin noch in die Beichte gegangen war, war Arno noch nicht Subprior gewesen, sodass er auch von dieser Seite über keine gesicherten Informationen verfügte. Was er mit eigenen Augen hatte beobachten können, war, wie sehnsüchtig deren Augen vom Balkon der Laienschwestern aus an

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