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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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impulsiven Trotz Dinge aussprach, die sie hinterher bereute. Wenn sie um Elisabeths willen aufgebracht und verzweifelt genug wäre, konnte Mathilda sich gut vorstellen, dass sie auch Arno mit hineinziehen würde.
    Katharina, die sie mit mitfühlender Miene in Empfang nahm, schenkte sie daher nur ein stummes Lächeln. „Es geht mir schon besser, keine Sorge.“
    „Nicht dass du richtig krank wirst.“
    „Nein, nein, ich werde nicht krank.“ Mathilda konzentrierte sich darauf, das Gähnen zu unterdrücken, das ihr Gesicht glücklicherweise davon abgehalten hatte, sich zu einem erneuten Schluchzen zu verziehen. Sie war nur müde. Und ihre Gabe, Liebeskummer mit übersteigertem Schlafbedürfnis zu bekämpfen, war ganz gewiss ein Zeichen von Gesundheit.  

Wer etwas will anfangen ...
     
     
    Beklommen um sich schauend, schritt Arno, eines der Klosterpackpferde am Zügel, auf das Haupttor zu. Weißer, fest gefrorener Schnee überall, lange Eiszapfen an den Dächern, bleigrauer Himmel darüber, der sich noch nicht entschieden zu haben schien, ob er Schnee oder doch lieber noch größere Kälte schicken sollte. In diesem Augenblick fuhr eine eisige Bö unter Arnos Umhang, hob ihn leicht an und machte ihn frösteln. Dabei hatte er das Klostergelände noch nicht einmal verlassen.
    Und es war auch nicht wirklich er, der nun durch den Torbogen schritt. Der wirkliche Arno besaß nicht die Freiheit, anderswohin zu gehen. Zwischen zwei Leben zu wählen.
    Zwei Möglichkeiten hatte er schon. Entweder er bereute endlich, opferte Mathilda und kehrte als reuiger Sünder zu Gott zurück. Oder – Ja. Oder.
    Und trotzdem war er hier. Sah zu, wie Bruder Preuß ihm freundlich zunickte und das Klostertor hinter ihm zuschlug und tat so, als hätte er das Recht auf ein anderes Leben. Auch wenn er, noch ehe der Knall des Tores hinter ihm verhallt war, nichts anderes wollen konnte als zurück, hinein, in die Bibliothek, in seine Unterrichtsstube, zu ihr. Um sie in seine Arme zu reißen und nie mehr loszulassen.
    Die Panik, die daraufhin über ihm zusammenschlug, ließ ihn die Arme an den Körper ziehen und so den Wallach am Zügel. Der setzte sich in Bewegung, ein Trippeln nach vorn, zur Straße. Arnos Beine wollten nicht gehorchen, wurden aber mitgerissen. Einen Schritt weit. Noch einen.
     
    Da war die Erinnerung an den Ausgang seines Gesprächs mit Heussgen gestern.
    An dessen Hand, ihn mit sanfter Gewalt aus dem Versorgungsgang schiebend.
    „Komm, mein Freund. Du brauchst eine Atempause. Um dich zu besinnen, um dir darüber klarzuwerden, was du willst, wie es weitergehen kann. Das kannst du nicht hier, wo jeder von dir erwartet, dass du Pater Arno von Wayden bist.“
    Der ehemalige Domprediger Johannes Heussgen-Oekolampadius hatte genau das auch getan. Mehr oder minder erfolgreich versucht, sich eine Pause im Getümmel um Luthers Reformation zu verschaffen. Sich herausgezogen. Um für sich zu klären, wo er stand, wie es für ihn weitergehen sollte. Anders als bei Arno war es dabei allerdings nicht um Sünde gegangen. Und nicht um Schuld.
    „Es wäre gut, wenn du einen Ort wüsstest, an den du dich zurückziehen könntest – und nur 'Arno' sein. Gibt es einen solchen?“, hatte er die Worte ausgesprochen, die Arno wie eine Erlösung vorgekommen waren.
    „Pater Bertram“, hatte er da sofort gewusst. „Mein früherer Beichtvater. Der alles von mir kennt. Der mich immer ermutigt hat, mich zu entwickeln.“
    „Genau den brauchen wir!“ Heussgen hatte Arno losgelassen, um voller Elan in die Hände zu klatschen – und das hatte Arno befähigt, wieder selbständig zu gehen.
    Doch dann war Heussgen neben ihm rührend erschrocken. „Wo finden wir ihn? – Doch nicht in Holstein? Von dort kommst du doch, oder?“
    Da war sogar ein kleines Lachen möglich gewesen. „Er war einst Pfarrer in meiner Heimatgemeinde“, hatte Arno seinen Freund aufgeklärt. „Doch dann sind wir zusammen nach Rom gepilgert. Und anschließend zurück gen Norden. Er ist auch hier unten hängengeblieben. Heute ist er Priester in St. Georg zu Freising.“
    „Oh, wie gut!“
    Heussgens optimistischer Eifer war so wohltuend, so verlockend gewesen, dass Arno fast vergessen hatte, dass ihm Optimismus nicht zustand.
    „Biete der Örtlerin einen triftigen Grund, der dich unter allen Umständen dazu zwingt, nach Freising zu gehen. Einen Wunderheiler? Einen alten Freund, der im Sterben liegt? Eine göttliche Vision? – Du kannst eines der Pferde ausleihen und ein

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