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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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beworben haben.“ Sie schwieg einen Moment und sah auf ihre Hände. Doch dann hob sie den Kopf: „Anders als in anderen Orden werden bei uns Frauen nicht ausgebildet. Adlige oder Hochbürgerliche kommen bereits geschult und werden zur Chorfrau geweiht. Einfache Frauen und Mädchen ohne Bildung jedoch können nur die niederen Weihen ablegen und werden Laienschwestern.“ Wieder senkte sie den Kopf und schwieg.
    Mathilda schwieg ebenfalls. Sie hatte das Gefühl, dass Schwester Jordanin nicht alles gesagt hatte, was es dazu zu sagen gäbe und wartete darauf, dass sie weitersprechen würde. Mathilda selbst hatte von ihrem Vater gehört, dass es sehr wohl auch von der Mitgift abhing, welchen Stand man in einem Kloster einnehmen konnte. Außerdem – was war dann mit ihr? Sie war zwar adelig und hatte eine entsprechende Mitgift, aber ihre Ausbildung - ihr Vater hatte doch eine diesbezügliche Vereinbarung getroffen! Unwillkürlich zuckten ihre Hände.
    Ob Schwester Jordanin ihre Ungeduld bemerkt hatte, konnte Mathilda nicht beurteilen. Doch in genau diesem Moment hob sie den Kopf und sprach weiter:
    „Bei den Männern drüben sieht es anders aus. Obwohl ihr Konvent deutlich kleiner ist, gibt es einige Novizen und einen Novizenmeister.“
    „Aber ich werde doch ausgebildet“, sagte Mathilda mit plötzlich wild schlagendem Herzen. Schwester Jordanin hatte das Thema einfach fallenlassen. Jetzt musste sie es wieder zur Sprache bringen. „Wenn Ihr nicht meine Novizenmeisterin seid, wer seid Ihr dann und wer wird mich ausbilden?“
    Was würde sie tun, wenn es niemanden gäbe? Was könnte sie machen, würde sie hier kurzerhand zu den Laienschwestern gesteckt? Sie hatte nichts weiter als das Wort, das man ihrem Vater gegeben hatte. Und der war weit weg, krank und außerstande, für sie einzutreten.
    Schwester Jordanin schüttelte den Kopf, was Mathilda sehr beunruhigte. Doch dann nickte sie – und lächelte dabei. War doch alles gut?
    „Nicht so ungeduldig, Mathilda. Erst einmal: Nicht ich werde dich ausbilden. Ich begleite dich nur am Anfang, damit du dich zurechtfindest. Meine Aufgaben sind andere.“
    Mathilda hätte brennend gerne gewusst, welche Aufgaben Schwester Jordanin hatte, aber noch dringender musste sie erfahren, was für sie vorgesehen war. Mit angehaltenem Atem und erwartungsvoll aufgerissenen Augen starrte sie deshalb die Nonne an.
    „Du wirst ausgebildet werden“, bestätigte diese auch schon. „Gemeinsam mit den Novizen des Männerkonvents, von deren Novizenmeister, PaterWayden, den ich eben schon erwähnte.“
    Mathilda atmete so rasch aus, dass ein Pfeifen zu hören war. „Im Männerkonvent? Ich darf – muss da rüber gehen?“
    „Natürlich nicht“, schüttelte Schwester Jordanin sofort den Kopf. „Der Unterricht findet in der Bibliothek statt. Direkt darüber ist das Skriptorium, in dem auch einige Nonnen arbeiten. Du wirst also nicht alleine bei den Männern sein.“
    Beinahe hätte Mathilda gelacht. Hatte Schwester Jordanin vielleicht den Eindruck gewonnen, sie hätte deswegen Angst? Ganz bestimmt nicht! Sie war nur erstaunt. Bisher war ihr hier alles völlig strikt zwischen Männern und Frauen getrennt erschienen, sogar die einzige Verbindungstüre wurde streng gesichert. Und da schickte man sie so einfach zu den männlichen Novizen und deren Novizenmeister? Sie konnte es kaum fassen.
    Die Glocke im Klosterturm läutete.
    „Oh“, rief Schwester Jordanin. Sie erhob sich irritierend langsam. „Es läutet zu Tertia. Schnell, lass uns rasch in den Frauenchor hinaufgehen, dort werden sich auch noch andere Schwestern eingefunden haben und beten.“
    Diesmal gingen sie Seite an Seite.
     
    Die Zeit bis zum Mittagessen verbrachte Mathilda anschließend damit, die unterschiedlichen Handarbeitsstuben anzusehen. Hier traf sie auf etliche Chorfrauen, die allesamt sehr beschäftigt waren und kaum die Köpfe von ihrer Arbeit hoben. Anders Mathildas Zellen- und Banknachbarin im Refektorium, Katharina Greulich. Die senkte ihre Stickarbeit und lächelte Mathilda an - um dann Schwester Jordanin intensiv anzusehen.
    Diese jedoch wandte sich Mathilda zu: „Hier werden feinste Stickereien angefertigt“, teilte sie ihr flüsternd mit und schob sie in einen angrenzenden Raum. „Derlei Klosterarbeiten genießen einen so guten Ruf, dass Aufträge von weither kommen oder freie Arbeiten gut verkauft werden. Mutter Anna Hutter hier, unsere ehemalige Äbtissin, ist in der Werkstatt die Meisterin.“
    Neugierig
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