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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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ich den Schleier abnehme.“
    „Ist doch egal“, tröstete Mathilda sie über ihre Verlegenheit hinweg. „Die Hauptsache ist doch, dass du Haare hast.“
    „Noch.“ Katharina wagte ein verrutschtes Lächeln. „Manche der älteren Nonnen haben unter ihrem Schleier kaum mehr welche. Sie fallen mit der Zeit aus, sagen sie.“
    „Meinst du, das wird uns auch so gehen?“ Bange langte Mathilda nach ihrem Zopf und musterte die volle, wenn auch noch immer etwas verdrückte Haarpracht auf Katharinas Kopf.
    Noch ein Preis, den das Klosterleben von ihr fordern würde. Dabei gehörte er zu ihr – ihr Zopf, den sie stolz züchtete, solange sie denken konnte. Er war ein Teil von ihr, auch unabhängig vom Aussehen. Es war für ihre Hände selbstverständlich, danach zu greifen, wenn sie nachdachte. Strähnen herauszufasern, ihn ganz zu öffnen, neu zu flechten ...
    „Ich hoffe nicht. Deswegen schlafe ich auch immer ohne Haube. Damit ein bisschen Luft drankommt.“ Katharina schüttelte den Kopf, dass die Locken nur so flogen. „Ich glaube, dass man die Haare unter dem Schleier verliert, liegt daran, dass sie immer so gepresst werden.“ Auch sie fasste nun nach Mathildas Zopf und zog leicht daran. „Mir werden sie hoffentlich nie ausfallen - und dir auch nicht.“ Sie lachte leise auf, seufzte aber sofort darauf: „Allerdings, was spielt das für eine Rolle, kaum jemand wird es bemerken.“
    Nachdenklich, fast ein wenig abwesend, fuhr sie mit leichter Hand über die geflochtenen Strähnen. „So schöne Haare.“
    Doch schon einen Moment später kehrte sie abrupt in die Wirklichkeit zurück und ließ den Zopf los: „Für den sieht es wirklich schlecht aus. Ich glaub nicht, dass sie ihn dir noch lange lassen werden.“
    „Aber ich bin doch noch nicht geweiht“, sagte Mathilda schnell. „Ich dachte, ich behalte ihn mindestens so lange, bis ich den Schleier tragen muss.“
    Wobei es darauf eigentlich nicht ankam, oder? Sie würden ihr das Haar nehmen – früher oder später. Und sie konnte nichts dagegen tun.
    Katharina schüttelte den Kopf und lächelte wehmütig. „Ich glaube nicht mal, dass es ihnen dabei um die Haare geht“, sagte sie. „Aber du siehst zu hübsch aus – und das werden sie hier ändern wollen. Was glaubst du, warum Nonnen einen Schleier tragen müssen?“
    „Damit sie hässlich aussehen?“
    „Na, zur Verschönerung dient er jedenfalls nicht“, nickte Katharina.
    Jetzt sah auch Mathilda den Unterschied deutlich. Katharinas Gesicht wirkte ohne Schleier sehr viel empfindlicher. Ihr fein gezeichneter Mund und die lang bewimperten Augen, sonst immer ein wenig trotzig wirkend, sahen auf einmal verletzbar aus. Lediglich ihr Kinn wirkte nach wie vor eigensinnig.
    „Wie alt bist du eigentlich?“, fragte Mathilda.
    „Zwanzig“, antwortete Katharina und lächelte spitzbübisch.
    „Du siehst so viel jünger aus“, sagte Mathilda und berührte vorsichtig eine der widerspenstigen Locken auf Katharinas Kopf. „Du bist sehr hübsch.“
    „Was man mit Schleier nicht mehr bemerkt“, vervollständigte Katharina Mathildas Satz. „Schönheit ist im Kloster eher ein Fehler“, kicherte sie plötzlich los. „Es wird alles dafür getan, dass wir nicht mehr schön sind.“ Dabei reckte sie ihren schwarz bestrumpften Fuß vor. „Siehst du?“ Sie wedelte mit dem klobig-schweren Schuh. „Es fängt von ganz unten an und geht bis hier.“ Und damit legte sie Mathilda ihre Hand auf den Kopf. „Nur Maria darf schön sein, als einzige Frau.“
    „Die hat doch auch immer einen Schleier“, gab Mathilda zu bedenken.
    „Aber den trägt sie ganz locker. Nicht so wie wir.“ Katharina legte ihre Hände rechts und links an Mathildas Gesicht, schob Haare und Haut nach hinten, bis es spannte. „Siehst du? Vorbei ist es mit der Schönheit.“
    „Meinst du, das ist auch eine Klosterregel?“, fragte Mathilda. „Oder ist es eine Sünde vor Gott, wenn wir keinen Schleier tragen?“
    „Klosterregel“, entschied Katharina sofort. „Aber ich wüsste nicht, dass das einen Unterschied macht.“
    „Der Unterschied ist der, dass gebrochene Klosterregeln ins Kapitel gehören, Sünden aber in den Beichtstuhl“, klärte Mathilda sie auf.
    Zu ihrer Überraschung zuckte Katharina daraufhin nur mit den Schultern. „Spielt doch keine Rolle.“
    Das sah Mathilda aber anders. „Pater Arno hat das gesagt.“ Sie seufzte. „Er meinte, ein Regelbruch ist nicht so schlimm wie eine Sünde. Aber ich finde es einfacher zu

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