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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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über dem Haupteingang, von wo aus sie den Gottesdienst verfolgen würden.
    Die heute von vielen auf den Altären brennenden Kerzen erhellte Kirche war bereits voller Menschen, die in Gruppen zusammenstanden oder sich langsam durch das Hauptschiff bewegten. Nur im Volkschor, in der Nähe des Hauptaltares, gab es Bänke. Mathilda war diese Aufteilung aus der Kirche ihres Heimatortes bekannt. Sie wusste, dass nur hochgestellte Bürger und die Adligen eines Ortes Anspruch auf einen Sitzplatz hatten. Hier in Altomünster schien es auch nicht anders zu sein.
    Aus dem Gemeindechor drangen Geraschel, gedämpfte Stimmen, Gehüstel, Fußgescharre und ab und zu ein spitzer Kinderschrei zu ihnen herauf.
    Zu Mathildas Verwunderung hatte auch die Reihen der Nonnen Unruhe erfasst. Die Frauen, die sich sonst so reg- und geräuschlos verhielten, wippten auf ihren Füßen, räusperten sich, Mathilda hörte sogar aufgeregtes Kichern. Als sie sich deswegen umsah, erblickte sie allerdings nur unbewegte Gesichter. Erst nach einer verwunderten Weile wurde ihr klar, dass der sonntägliche Gottesdienst für die menschenentwöhnten Nonnen eine Ausnahme darstellen musste, wenn auch eine sichtlich willkommene. Niemals sonst konnten sie Weltlichen – und seien es noch so einfache Menschen – derart nahe kommen.
    Mathilda, die diesbezüglich noch keinen Nachholbedarf hatte, konzentrierte sich auf den Männerchor. Sie hatte bisher nur sehr wenige Mönche zu Gesicht bekommen und war nun neugierig darauf, die anderen zu sehen. Und ebenfalls auf den Prior, der die Messe halten würde.
    Zu ihrem Bedauern lag der Chor der Mönche hinter dem Altar – und damit hinter dem Licht. Mehr als dunkle Gestalten konnte sie nicht erkennen, meinte aber die hellen Haare von Georg ab und zu aufblitzen zu sehen.
    Kleine Glöckchen klingelten, gleichzeitig flog die Hand der Äbtissin nach oben – und die Nonnen begannen zu singen. Mathilda, die in der letzten Reihe stand, konnte nur die Frauen rings um sich hören, wusste aber, dass jetzt in der ganzen Kirche gesungen würde.
    Die drei Priester für das heutige Hochamt zogen ein. Der in der Mitte, mit einem feierlich roten Skapulier, musste Prior Palgmacher sein. Rechts und links von ihm, mit jeweils roter Stola über ihrer gewöhnlichen Kutte, je ein Priester. Mathilda reckte den Kopf, als sie im linken Pater Arno erkannte.
    Der Hauptaltar war leider viel zu weit weg, um Mimik und Gesichtszüge beobachten zu können, also konzentrierte sich Mathilda auf die ihr bekannten Kirchenlieder und sang aus vollem Herzen mit.
     
    Der Grund, warum die Nonnen den Gemeindegottesdienst vom Balkon aus verfolgen durften, erklärte sich Mathilda erst, als Prior Palgmacher zur Predigt in seine Kanzel kletterte. Die befand sich nämlich zwischen Gemeinde- und Volkschor – unter der Frauenkapelle.
    Sie bemerkte atemlos angespanntes Schweigen ringsum, während der Prior das Volk ermahnte, mehr Zeit in Andacht und mit Gebet zu verbringen.
    Wie bei Vater Sigismund , dachte Mathilda. Um der sich einstellenden Langeweile zu begegnen, begann sie, Vater Palgmacher eingehender zu betrachten. Klein war er, dicklich, mit deutlicher Halbglatze. Sein Gesicht wirkte gutmütig, wenngleich es ein wenig gerötet war. Wahrscheinlich, weil er sich gerade in Fahrt redete, lauter wurde und mit den Händen gestikulierte.
    Mathilda brauchte einen Moment, bis sie erkannte, dass das, was sie als Glatze wahrnahm, seine Tonsur sein musste.
    Fasziniert starrte sie das im rötlich-grauen Haarkranz hell schimmernde Hautstück an. Es war riesig – verglichen mit dem von Pater Arno. Dass der überhaupt eine Tonsur trug, hatte sie nur zufällig entdeckt, als er sich neben ihr über den Kempen gebeugt hatte.
    „Und ich sage euch: Nur der wahrhaft Gläubige wird Einzug halten ins Himmelreich, während die Nachlässigen ihre Schuld bis zum Jüngsten Gericht im Fegefeuer abbüßen müssen.“
    Die Menschen in der Kirche standen wie erstarrt und auch die Nonnen um Mathilda rührten sich nicht.
    Die sah nach vorn, zum Hauptaltar, wo sich Pater Arno neben seinen Kollegen auf eine Bank gesetzt hatte und ebenfalls zu lauschen schien. Wie er diese Predigt wohl fand?
    Vater Sigismund hatte oft genug dabei geschimpft: Dass die Menschen zu selten zum Gottesdienst gingen, dass die Kollekte der letzten Messe zu gering ausgefallen sei, dass schon wieder jemand Sand in den Weihwasserbehälter gestreut habe ...
    Mathilda schien, als wäre auch Prior Palgmacher der Ansicht, die

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