Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
den Mund. Dann reichte ich die Schachtel an Anneliese weiter, die sich auch bediente.
»Aber ich hätte den schon besser erzogen«, behauptete Großmutter. Weil halt die alte Zenz nicht auf ihn aufgepasst hatte. Hätte sie sein Holzbein konfisziert, wäre das alles nicht passiert. Außerdem hätte meine Großmutter sicher nicht bei irgendwelchen Drogengeschichten mitgemacht.
Maarten nahm sich auch eine Praline.
»Und ich habe wahlweise eigentlich immer eher den Girgl oder den Anderl verdächtigt. Dass die mit Drogen dealen«, gestand ich. Und eigentlich tat ich das immer noch. Denn ich war mir hundertprozentig sicher, dass der Roidl und die Marlis nicht nur den alten Schaller erwischt hatten, sondern auch den Girgl und den Anderl. Der Anderl holte sich wahrscheinlich Nachschub, um den zu verkaufen. Und der Girgl holte sich Nachschub, um ihn selbst einzuwerfen.
»Ach geh. Der Girgl, der hat doch schon so viel Zeug geschluckt, der kriegt des doch gar ned auf die Reihe. Mit dem Dealen«, erklärte Anneliese. »Und der Anderl, der will doch Theologie studieren. Da darf man das bestimmt auch nicht.«
»Wie. Der Anderl? Theologie? Der will Pfarrer werden?«, bohrte ich fassungslos nach.
»Na ja. Vielleicht nicht Pfarrer. Aber so als Pastoralreferent. Das kann ich mir gut vorstellen«, erklärte Anneliese und nahm sich noch eine Praline.
Großmutter schnalzte nur mit der Zunge, dann griff auch sie zu den Pralinen. Ich konnte mir das auch nicht vorstellen. Und ich war mir fast sicher, dass der Anderl auch bei der Drogengeschichte beteiligt gewesen war. Die Oma nach Holland schicken, den Opa umverpacken lassen und selber die Packerln verkaufen. So hatte ich mir das zusammengereimt. Und jetzt redete er sich heraus und tat so, als hätte er schon immer vorgehabt, Pastoralreferent zu werden.
»Und die Zenz behauptet, sie hätte von nichts eine Ahnung gehabt«, erklärte Anneliese weiter. »Sie hätte sich nur gewundert, dass die Packerln mit dem Kaffee immer weg waren. Wo sie doch extra fürs Altenheim so viel gekauft hatte.«
Jaha. Und extra aus Holland, da hatten die nämlich den niederländischen Spezial-Senioren-Schonkaffee.
So eine verlogene Brut. Ich würde mal sagen, dass wir jetzt haargenau wussten, wieso sich der Anderl einen Mercedes leisten konnte. Und wahrscheinlich stimmte es sogar, dass das Geld von der Oma war. Zwar nicht vom Bausparer, sondern von den eingeführten Drogen, aber was macht man nicht alles für seine Enkerln.
»Der Roidl hätt halt nicht in den Wald fahren sollen«, meinte Großmutter. »Sondern den Schorsch anrufen und den das machen lassen.«
Dann wäre jetzt der Schorsch tot und nicht nur mit einem Beinbruch im Krankenhaus.
Mir war es total peinlich, dass der alte Schaller mich beinahe umgebracht hatte. Sich von einem Neunzigjährigen überwältigen zu lassen, das war schon extrem unangenehm. Und dann noch von seiner sechsundachtzigjährigen Großmutter gerettet zu werden. Großmutter hatte mich hinterher noch richtig geschimpft. Ich könnte mich doch nicht von dem alten Schaller erwürgen lassen. Weil ich halt auch immer so einen Schmarrn machen musste. Bei anderen Leuten in die Wohnungen schauen, das machte man auch nicht.
Ich nahm mir noch eine Praline und reichte die Schachtel wieder Anneliese, die seufzend zulangte.
»Weiß man jetzt denn schon, wen die Marlis erpresst hat? Wer dieser SLK ist?«
»Wer soll denn das sein?«, fragte Großmutter. »SLK?«
»Ich glaube, das sind der alte Schaller und die Kreszenz«, mutmaßte Anneliese. Schaller Ludwig und Kreszenz. Ah. Schaller Wiggerl war natürlich Schaller Ludwig.
»Ich glaube, das ist der Anderl«, erklärte Maarten. »Das SLK kommt von seinem Auto.«
Mercedes SLK. Klaro.
»Aber das wird er nicht zugeben.«
Und dem Schaller stand der Mund offen. Dem konnte man ja schön alles in die Schuhe schieben. Zumindest waren sich jetzt kollektiv alle Schallers und Grubers einig, dass der alte Schaller als Drogenhändler erpresst worden war und daraufhin zur Waffe gegriffen hatte.
»Der arme Schorsch«, sagte Großmutter. »So schnell kann der nicht mehr arbeiten.«
»Übernimmst du dann seinen Job?«, wollte Anneliese von Maarten wissen. »Das wär eh g’scheiter. Du kannst des besser.«
Maarten sah plötzlich sehr unglücklich drein.
»Ich glaube, ich werde gar kein Polizist«, offenbarte er uns.
»A geh«, meinte Großmutter und tätschelte ihm die Hand.
»Wieso das denn?«, wollte ich wissen. »Du hast richtig viel
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