Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
sie.
»Lass mich einfach beim Friedhof raus«, sagte sie stur.
Nichts da. Am Schluss fiel sie mir in das neu ausgehobene Grab vom Roidl.
»Da müsste ich ja umdrehen«, wandte ich ein. »Ich muss jetzt schnell zum Forsthäusl und danach …«
»Dann fahr ich halt mit«, sagte Großmutter mit einem Seufzer. »Und fahr nicht so ruckelig. Da wird einem ja schlecht.«
Es war ja schon blöd, mit Anneliese zu ermitteln. Seine eigene Großmutter mitzunehmen war hingegen der größte Blödsinn, den man sich als privater Ermittler überhaupt ausdenken konnte. Direkt vor dem Maschendrahtzaun parkte das Mofa vom alten Schaller. Das Holzbein und sein Besitzer waren weg.
»Bleib du im Auto sitzen«, versuchte ich den Blödsinn ein wenig einzudämmen. »Ich geh nur schnell einmal ums Häusl herum, und dann fahren wir wieder nach Hause.«
»Zum Friedhof«, verbesserte mich Großmutter. »Und was machst du beim Häusl?«
Tja, was tat ich da.
»Ich beobachte den Schaller«, gab ich zu. Ich konnte ihr unmöglich verraten, dass ich ihn für den Mörder hielt.
»Wieso?«
»Weil ich meine … dass er auf mich geschossen hat.«
»Der alte Schaller?«, fragte Großmutter fassungslos. »Da muss ich mit. Dem sag ich was.«
»Nein«, flehte ich sie an. »Du bleibst schön da sitzen. Ich will nur sehen, was er in dem Häusl treibt. Bitte.«
»Und im Häusl hat er seine ganzen Waffen?«, fragte sie nach.
»Nein. Das war ein Witz«, redete ich mich raus. »Ich schreibe halt einen Artikel über das Häusl. Und jetzt bleib sitzen.«
»Ja. Ja. Der Schaller. Dem würde ich so alles Mögliche zutrauen«, verriet mir Großmutter. »Was der mir früher zugezwinkert hat. Als wenn ich halt sein Gspusi …«
Ja, die Geschichte hatten wir schon.
»Als wenn ich mit so einem verheiratet sein wollte.«
»Oma, da hast recht«, stimmte ich ihr zu, ohne mitzudenken. Hauptsache, ich kam weg.
»Den ganzen Tag im Schützenheim sitzen und das Geld verpulvern. Dass die sich das gefallen lässt. Das kann man gar nicht glauben.«
Jawohl. Ich auch nicht, aber ich musste jetzt dringend nachsehen, was der Schaller ohne Zaunlatten hier draußen reparierte.
»Den ganzen Tag auf Papierscheiberln schießen und den Buben nicht bei den Hausaufgaben helfen«, schimpfte sie weiter vor sich hin. Ich machte, dass ich weiterkam.
Die Gartentür stand offen. Ich quetschte mich durch, ohne das Tor zu bewegen, und lief geduckt auf das Haus zu. Mit dem Bein blieb ich an ein paar Kletten hängen, dann hatte ich die Mauer erreicht. Mein Herz wummerte. Großmutter hatte ich vergessen. Mein Knöchel pochte. Dass einem so ein alter Mann noch derart einheizen konnte, der Wahnsinn.
Ich blickte durch das vergitterte Fenster. Für einen Moment sah ich gar nichts, dann erkannte ich den Schaller, der damit beschäftigt war, in dem Zimmer herumzuräumen. Er schlug die Häkeldeckchen zurück und packte rote Kaffeepäckchen in seinen Rucksack.
Seltsam. Extra in den Wald zu fahren, um neuen Kaffee zu holen. Vielleicht hatte ja die Kreszenz gesagt, so geht es nicht weiter, den ganzen Kaffee, den die alte Zenz verteilt, den kann ich nicht bei mir in der Speis aufheben. Da müsst ihr euch was anderes überlegen. Aus dem Rucksack schaute auch noch was Langes heraus, so eine Art Rohr.
Wenn, dann war das ja nicht sein Kaffee, sondern der von seiner Frau. Wahrscheinlich nahm sie den bei ihren Kaffeefahrten immer mit, wenn es in den Krematorien keine Videos mehr zu gucken gab. Und dann war das halt ein bisserl zu viel für zu Hause. Deswegen musste sie auch den Kaffee verteilen, so viel trank ja kein Mensch.
In meinem Gehirn ratterte es eine Weile vor sich hin. Das Wort Holland gab dann den Ausschlag. Kein Mensch nahm so viele Pakete Kaffee mit nach Deutschland. Ausgenommen, es war etwas anderes drin.
Nein, das konnte nicht sein. Die Schallerin war doch schon achtzig. Und ihr Mann über neunzig. In dem Alter vertickte man keine Drogen mehr.
Es klackerte noch eine Weile in meinem Kopf. Das war eine prima Tarnung. Kein Mensch kam auf die Idee, dass die gute alte Zenz etwas anderes im Gepäck hatte als Krematoriumsangebote und Rheumadecken. Und was sollten sie sonst in diesen Unmengen von Kaffeepäckchen versteckt haben? Das Schallerhäusl als Drogenlager. SH. Anderl SH. Oh je. Wahrscheinlich waren alle beteiligt gewesen. Der Anderl, der Girgl – der natürlich als Selbstversorger –, Kreszenz, die alte Zenz. Der alte Schaller.
Ich kniff die Augen ein wenig zusammen, um zu
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