Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
eine kaputte Kaffeemaschine zu Hause, und bei uns im Büro stand eine nagelneue. Wenn das der einzige Grund für Pünktlichkeit war, dann verzichtete ich gerne darauf. Allerdings hätte ich momentan auch gerne darauf verzichtet, mich mit Anneliese in aller Früh zu unterhalten, und lieber Kaffee in unserem Büro getrunken.
»Was ist denn so wichtig?«, fragte ich mürrisch und wollte es gar nicht wissen.
»Weißt du schon, wer’s war?«
Ich zuckte mit der Schulter. Ich hatte es ja nicht gewusst, aber der Kare, dieses Gscheithaferl, wieder mal.
»Wieso hast du die nicht erkannt?«, hakte Anneliese nach. »Die beiden kennst doch schon ewig.«
»Ich hab halt nicht g’schaut«, antwortete ich böse. »Was gibt’s denn Wichtiges? Das hat ja heute jeder in der Zeitung lesen können.«
»Also, wennst des ned weißt«, empörte sich Anneliese. Anscheinend hatte sie, bevor sie die Kinder in den Kindergarten gebracht hatte, keine Zeit zum Zeitunglesen gehabt. Aber jetzt mich angiften.
»Habts es schon g’hört …«, sagte jemand so dicht hinter mir, dass ich zusammenzuckte. Oh je. Die Mama von der Kreszenz Gruber. Die hieß auch Kreszenz, aber alle nannten sie nur Zenz, manchmal sogar die alte Zenz oder die alte Schallerin. Die wackelte und zuckte immer so mit ihrem Kopf und den Armen, dass man gar nicht mehr gerade denken konnte.
Ihre Schultern begannen zu beben. »Und stellt’s euch vor, es war eine Beziehungstat.«
Das Wort »Beziehungstat« sprach sie so hochdeutsch aus, dass mir die Ohren schmerzten.
»Beziehungstat? Was ist denn das?«, fragte ich unvorsichtigerweise. Man sollte Gespräche mit der Zenz nicht unnötig in die Länge ziehen. Irgendwann holte sie aus ihrer voluminösen Tasche doch irgendetwas heraus, das sie einem schenkte.
»Na ja. Sie hat erst ihren Mann erschossen. Und dann hat sie sich selbst umbracht.«
Ich starrte auf die große Handtasche.
»Ich muss jetzt in die Arbeit«, sagte ich, ohne beachtet zu werden.
»Nie und nimmer«, sagte Anneliese neben mir böse. »Nie und nimmer hat die jemanden erschossen.«
»Freilich. Ham s’ heut in der Metzgerei erzählt. Und die Kreszenz hat gemeint, dass sie sich schon immer gedacht hat, des tut koa Gut, mit den zweien. Und mein Mädl, des kennt sich mit so was aus. Mit so Beziehungszeug.« Die Kreszenz Gruber war nämlich das »Mädl« von der alten Zenz.
»So ein Schmarrn«, widersprach Anneliese energisch. »Die Kreszenz soll doch keinen solchenen Krampf reden.«
Beleidigt klemmte sich die Zenz ihre Tasche fester unter den Arm. »Meine Kreszenz, die wird mir jetzt einen Schmarrn erzählt haben.«
Ich verdrehte heimlich die Augen. Meine Großmutter würde jetzt sagen, Zenz, erzähl keine blöden Geschichten herum. Pass lieber auf deinen Alten mit seinem Holzbein auf. Der wär das letzte Mal mit dem Moped beinahe in den Straßengraben gefahren. Mit einem schlecht gelaunten »Pfiad euch« ging die alte Zenz weiter.
»So ein Schmarrn«, sagte Anneliese noch einmal energisch, während wir der Zenz nachschauten. »Die soll doch lieber schauen, was aus ihren Enkelsöhnen g’worden is. Der Girgl nimmt so viel Drogen, dass er nimmer grad gehen kann. Und was der Anderl in seiner Freizeit macht, will ich gar ned wissen.«
Ich auch nicht. Ich wollte eigentlich nur in die Arbeit und mal so richtig ranklotzen.
»Nie und nimmer. Die erschießt doch nicht ihren Mann.«
»Na ja. Der Roidl Anton, der war halt auch ein Depp«, schränkte ich ein. »Und wenn sie ihn mit der anderen Frau in flagranti erwischt hat …«
»Die Marlis. Jetzt sei doch mal ehrlich. Die ist doch sogar umgefallen, nur weil damals in der dritten Klasse der Sebastian zwei Bänke vor ihr Nasenbluten gekriegt hat.«
»Die Marlis?«, fragte ich fassungslos mit der Betonung auf Marlis. »Die Marlis hat den Dorschenschädel geheiratet?«
»Ja, von wem reden wir denn die ganze Zeit?«, fragte mich Anneliese ziemlich genervt. »Wie viele Marlis’ gibt’s denn bei uns hier?«
Wir hatten überhaupt nicht von der Marlis gesprochen. Außerdem war es doch so was von weit hergeholt, dass irgendeine aus unserem Dorf den Anton geheiratet hatte.
Das war das Problem bei Leuten wie mir. Ich hatte mich einfach in den letzten Jahren zu sehr aus dem Gemeindeleben ausgeklinkt. Ich hatte nichts mitbekommen. Wer wen geheiratet hatte, wer wie viele Kinder bekommen hatte. Hauptsache, ich war nicht verheiratet und hatte keine Kinder, versuchte ich mich zu beruhigen. Man sollte sich nicht so am
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