Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
Leid der anderen Leute aufgeilen.
»Wieso hat sie denn das gemacht?«, fragte ich konsterniert. »Die kennt ihn doch schon so lang.« So konnte sie sich nicht einmal rausreden, dass sie nicht gewusst hätte, wen sie da heiratete.
»Na ja. Der ist schließlich eine gute Partie«, erklärte Anneliese.
Eine gute Partie? Dafür musste sie damit rechnen, alle ihre Kinder per Kaiserschnitt zu entbinden. Weil ein Kind vom Dorschenschädel kam bestimmt niemals normal auf die Welt. Nun, man konnte nicht an alles denken. Und Geld hatte er, das musste man zugeben.
»Außerdem, wie stehen wir dann da?«
»Wir?«
»Nicht du«, fauchte mich Anneliese entnervt an. »Du bist ja nicht mit ihr verwandt. Aber wenn die eigene Verwandtschaft sich derschießt, das ist doch nix.«
Die Marlis. Klar. Die Marlis war ihre Cousine. Aber sie standen sowieso schon blöd da, weil die Marlis so einen Rüpel geheiratet hatte. Das wäre mir zum Beispiel peinlicher, als wenn meine Cousine diesen Rüpel erschossen hätte. Andererseits zeichnete sich die Marlis auch nicht gerade durch besonders zartfühlenden Umgang aus. Manchmal war die richtig ordinär gewesen. Ich konnte mich noch blendend an die Grundschulzeit erinnern. Da hatte die Marlis, wenn sie zur Toilette musste, immer zur Tafel vorgeschrien: »I muass brunzn.« Ich will zwar nicht behaupten, dass alle Leute, die das Wort brunzen in den Mund nehmen, leichter zu Mördern werden als andere, aber es war immerhin ein Zeichen von schlechter Erziehung. Oder zumindest ziemlich ordinär.
Viel wichtiger war aber, dass ich jetzt bestimmt schon eine Viertelstunde zu spät dran war und mein Chef garantiert wieder einen Tobsuchtsanfall bekommen würde.
»Aber man weiß doch, was passiert, wenn eine Frau ihren Mann mit einer anderen erwischt«, sagte ich. »Da drehen auch Frauen durch, die bei Nasenbluten umfallen. Außerdem hat sie ja nicht unbedingt zuschauen müssen, wie der Anton im Wald verblutet ist.«
Anneliese sah aus, als würde sie gleich umkippen.
»So ein Schmarrn«, antwortete sie. »Du hast doch viel mehr davon, wenn du dich scheiden lässt.«
»Vielleicht konnte sie ohne ihren Anton einfach nicht mehr existieren«, schlug ich vor.
Wir sahen uns eine Weile schweigend an. Anneliese hob eine Augenbraue.
O.k.
»Wie stehen wir dann da«, sagte Anneliese noch einmal düster.
»Ach geh«, tröstete ich sie. »Die von der Polizei kriegen das schon raus, wie’s wirklich war.«
Und bestimmt hatte die Marlis einen richtig guten Grund, und dann stand keiner dumm da. Ich machte einen vorsichtigen Schritt zur Seite, um schon mal anzukündigen, dass ich mich gleich aus dem Staub machen würde.
»Wennst du des sagst«, meinte Anneliese schlecht gelaunt.
»Hm«, machte ich freundlich. »Ich muss dann mal wieder.«
Auf der anderen Straßenseite sah ich Großmutter zielstrebig von dannen schreiten. Für einen Moment war ich versucht, sie wieder einzusammeln und nach Hause zu bringen.
»Die geht zum Rosenmüller«, erklärte Anneliese, die meinem Blick gefolgt war. »Die Rosl hat gemeint, dass sie ihm immer die Hand auflegt. Wegen seiner Migräne.«
Hand auflegt? »Schmarrn«, stieß ich entsetzt hervor.
»Doch. Hat sie gesagt. Zweimal die Woche schaut deine Großmutter beim Rosenmüller vorbei und legt ihm die Hand auf. Und dann wird das alles besser mit den Kopfschmerzen.«
Jetzt nicht hyperventilieren, befahl ich mir selbst. Einfach nicht dran denken.
«Könntest du vielleicht die Oma mit nach Hause nehmen?«, fragte ich hoffnungsvoll. »Nur bis ich wiederkomm.«
»Könntest du vielleicht rauskriegen, ob der Anton im Wald eine Frau getroffen hat …?«, fragte Anneliese.
Das war bestimmt eine sehr gute Möglichkeit, wie ich mich mit Max so richtig zerstreiten konnte. Wenn ich ihn fragte, mit wem der Roidl vor seinem Tod Sex gehabt hatte. Vor allem nachdem ich mich ganz begeistert dazu entschlossen hatte, keinen Finger bei den Ermittlungen zu rühren.
»Man kann ja sogar rauskriegen, ob die Sex miteinander hatten«, schlug Anneliese vor, ohne dabei an meine eigene Beziehung zu denken. »Die von der Pathologie kriegen des alles raus.«
Pfui Teufel.
»Und dann hat die Marlis die beiden erwischt und ihn erschossen«, schlug ich unbedacht vor.
»Red doch du ned auch so einen Schmarrn«, fauchte sie mich an. »Die Marlis macht so was ned. Glaub mir des.«
Eine Weile schwiegen wir uns an. Ich sah Großmutter verschwinden, irgendwo auf dem Weg zum Handauflegen.
»Außerdem hab ich
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