Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
des anderen festsaugte. Wenn’s ganz schlimm kam, tätschelte er auch noch mit der freien Hand die umklammerte gefangene. Und dann schüttelte und schüttelte er die Hand. Sofern man nicht bereit war, sie ihm mit aller Kraft zu entreißen, stand man während der ganzen Unterhaltung händchenhaltend da. Wenn das nicht widerwärtig war, dann wusste ich auch nicht.
Mit seiner Frau machte er das anscheinend nicht, denn sie gingen wortlos den gepflasterten Weg zum Haus entlang. Und ihre Hand hielt er auch nicht. Kurz bevor sie bei der Haustür waren, ging die Tür auf, und einer ihrer Söhne kam heraus. Der Anderl. Das war ganz schön lustig, die drei zusammen zu sehen. Man hätte nie geahnt, dass sie auch nur weitläufig verwandt waren. Die Kreszenz und der Mane, so irrsinnig nett, dass es schon widerwärtig war, und dann der Anderl, der auch als Zuhälter von zwanzig Prostituierten hätte durchgehen können. Ich lehnte mich zufrieden im Autositz zurück und sah zu, wie die drei ein paar Worte wechselten. Hach, und noch schöner, nebenan spitzte die Metzgerin aus dem Fenster und verschwand dann wieder hastig. Vielleicht sollte ich mich häufiger mit dem Auto vor anderer Leute Gärten stellen. Das war ja richtig lustig. Bestimmt erzählte die Metzgerin ihrem Mann jetzt im Detail von der grässlichen Bluse. Und dass der Anderl schon wieder in der Nacht herumstrawanzte. Aus dem wird nie was, sagte sie bestimmt. Höchstens ein Straß’grabenlieger. Was ich viel spannender fand, war die Frage, wie zwei pathologisch nette Leute so einen Sohn großziehen konnten. Der nicht einmal grüßte und den ich stark in Verdacht hatte, dass er entweder ganz viele Drogen vertickte oder ganz viele Frauen dazu zwang, für ihn zu arbeiten. Vielleicht hatte das ja auch mit den Genen zu tun. Zweimal furchtbar nett ergab einmal ganz grässlich kriminell. Großmutter würde jetzt sagen, red doch koanen solchen Schmarrn, aber man wird doch seine Theorien haben dürfen.
Als der Anderl weiterging, bückte ich mich hastig und wühlte in meiner Handtasche. Das fand ich eine wirklich gute Idee, denn hätte er an die Scheibe geklopft, hätte ich sagen können, dass ich hier nur parkte, weil ich ein dringendes Telefonat führen musste und man schließlich nicht während der Fahrt telefonieren durfte.
Der Anderl klopfte aber nicht an meine Fensterscheibe, sondern ging zu seinem Auto – einem schwarzen Mercedes Roadster, der nach Angaben von Anneliese über neunzigtausend Euro gekostet haben musste. Angeblich, weil die Zenz halt mal was in ihren Enkelsohn investieren wollte. Aber man konnte sich genauso gut vorstellen, dass das Geld von den ganzen Prostituierten stammte.
An der Haustür stand jetzt die alte Zenz, das war die Mutter von der Kreszenz. Sie ließ die Kreszenz und den Mane rein. So munter konnte man auch nur mit jeder Menge Schonkaffee sein. Sie war so aktiv, dass man als junger Mensch direkt ein schlechtes Gewissen bekam. In meinem Alter war kein Mensch ganztags unterwegs und verteilte Kaffee und vor allen Dingen keine selbst gemachten und selbst gebackenen Sachen. Da gab es zum Beispiel diese Schwammerln, die sie immer einlegte, die dann so aussahen, als wären es Gallensteine in Formol. Da hatten wir auch ein Glas zu Hause, das sich keiner von uns zu öffnen traute. Oder die Marmeladen, bei denen, wenn man Glück hatte, auch noch drobenstand, was für Früchte drin waren. Davon hatte ich erst vor Kurzem gleich ein paar Gläser entsorgt und Großmutter eingeschärft, nie wieder etwas anzunehmen. Schließlich machten wir selbst Marmelade und hatten genug damit zu tun, unsere eigene aufzuessen.
Dann verschwanden die drei im Haus, und ich versuchte, nicht daran zu denken, was die Alte für ungeheuerliche Dinge einmachte, sondern mich noch zehn Sekunden ganz und gar auf den Metzger zu konzentrieren.
Das war’s, dachte ich mir und beschloss, dass das jetzt genug vor dem Metzgerhaus herumgelungert war, um Anneliese morgen nicht anlügen zu müssen. Ich wollte gerade den Autoschlüssel herumdrehen, als die Tür vom Metzger aufging.
Das war noch eine gute Chance, Anneliese zu berichten, was für grässliche Sachen bei den Meiers in der Nacht passierten. Ich rutschte ein wenig tiefer hinter das Lenkrad. Wahrscheinlich brachte die Metzgerin nur den Papiermüll raus. Damit konnte Anneliese sie als Verdächtige streichen und ich mir am Abend wieder blöde Filme ansehen.
Papiermüll war es aber nicht, was die Meierin in den Armen hatte. Es war
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