Und hinter dir die Finsternis
recht schmecken, und es war auch kein Trost, als Maggie noch einmal Grecos Besuch ansprach und die Bemerkung anschließen ließ: »Er gilt ja als überaus scharfsinnig, aber mit seiner Annahme, dein Vater wäre imstande gewesen, einfach abzuhauen und dich im Stich zu lassen, lag er vollkommen daneben.«
Nein, dazu wäre er nicht imstande gewesen, dachte ich, aber Greco wollte auf etwas ganz anderes hinaus. Er fragt sich, ob Daddy nicht sein eigenes Verschwinden inszeniert haben könnte, weil er etwas mit dem Schicksal von Susan Althorp zu tun hatte.
7
ES HATTE ANGEFANGEN zu schneien. Nicholas Greco nahm die leichten, nassen Flocken, die ihm ins Gesicht trieben, kaum wahr, als er zu den Fenstern im ersten Stock hinaufblickte, die zur Kunstgalerie Richard Walkers gehörten.
Greco hatte seine Hausaufgaben in Bezug auf Walker gemacht. Sechsundvierzig Jahre alt, zweimal geschieden, Sohn von Elaine Walker Carrington, nicht besonders bekannt in Kunstkreisen, wenn überhaupt, dann sicherlich durch die glückliche Fügung befördert, dass seine Mutter in das Vermögen der Carringtons eingeheiratet hatte. Walker war unter den Gästen des festlichen Dinners gewesen an jenem Abend, an dem Susan Althorp spurlos verschwunden war. Den Berichten in den Akten der Staatsanwaltschaft zufolge war er nach dem Ende der Party zu seiner Wohnung in Manhattan gefahren.
Greco öffnete die Eingangstür des Gebäudes, wurde von einem Sicherheitsangestellten überprüft und stieg die Treppe zur Galerie hinauf. Er wurde sofort von einer lächelnden Empfangsdame eingelassen.
»Mr. Walker erwartet Sie bereits«, sagte sie. »Es wird jedoch noch ein paar Minuten dauern, weil er im Moment gerade in einer Telefonkonferenz ist. Vielleicht haben Sie Lust, sich in der Zwischenzeit ein bisschen in unserer neuen Ausstellung umzuschauen? Wir zeigen gerade Arbeiten eines
wunderbaren jungen Künstlers, von dem die Kritiker in den höchsten Tönen schwärmen.«
Jede Wette, dass sie diesen Spruch bei jedem Besucher von sich gibt, dachte Greco. Wahrscheinlich brütet Walker gerade in seinem Büro über einem Kreuzworträtsel. In der Galerie, die mit ihren reinweißen Wänden und dem dunkelgrauen Fußboden steril auf ihn wirkte, war weit und breit niemand zu sehen. Er schlenderte von Gemälde zu Gemälde und tat so, als würde er sie genauer betrachten. Allesamt stellten Ansichten von trostlosen urbanen Landschaften dar. Er war gerade beim vorletzten der rund zwanzig Bilder angelangt, als eine Stimme dicht hinter ihm fragte: »Nicht wahr, dieses hier erinnert besonders stark an Edward Hopper?«
Nicht einmal entfernt, dachte Greco, und mit einem Brummen, das man als Zustimmung werten konnte, drehte er sich zu Richard Walker um. Er sieht jünger aus als sechsundvierzig, war Grecos erster Gedanke. Walkers Augen waren das Auffallendste an seinem Gesicht – saphirblau und weit auseinanderstehend. Ansonsten waren seine Züge markant, er war von mittlerer Größe, hatte breite Arme und den stämmigen Körper eines Boxers. In einem Fitnessstudio würde er eine gute Figur machen, fand Greco. Walkers dunkelblauer Anzug war sichtlich teuer gewesen, was ihm jedoch infolge seiner wuchtigen Gestalt nicht unbedingt zum Vorteil gereichte.
Als deutlich wurde, dass Greco nicht die Absicht hatte, über Kunst zu plaudern, schlug Walker vor, sich in sein Büro zurückzuziehen. Auf dem Weg dorthin schwadronierte er, wie viele große Vermögen aus dem bloßen Umstand hervorgegangen seien, dass am Anfang ein Mensch den richtigen Blick gehabt hätte, um das Genie in einem noch unbekannten Maler zu entdecken. »Natürlich gilt dasselbe auch für andere Gebiete«, sagte er, als er seinen Schreibtisch umrundete und Greco bedeutete, auf dem Stuhl davor Platz zu nehmen. »Mein Großvater pflegte dazu immer die Geschichte zu erzählen, dass Max Hirsch, der legendäre Pferdetrainer,
einmal die Gelegenheit ausschlug, das berühmteste Rennpferd der Geschichte, Man O’War, für sage und schreibe hundert Dollar zu kaufen. Gehen Sie manchmal zu Pferderennen, Mr. Greco?«
»Ich habe leider nicht viel Zeit für Hobbys«, antwortete Greco, und in seiner Stimme lag ein Anflug von Bedauern.
Walker lächelte liebenswürdig. »Auch nicht für Smalltalk, habe ich den Eindruck. Nun gut. Was kann ich für Sie tun?«
»Zunächst möchte ich Ihnen danken, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mich zu empfangen. Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, hat Susan Althorps Mutter mich beauftragt, das
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