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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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Anbau im neoklassizistischen Stil erweitert worden, und John Pierpont Morgans Sohn Jack hatte sie durch eine düstere Glaspassage mit der alten »Brownstone«-Villa verbunden. Wir wurden gebeten, darauf aufzubauen und das Volumen zu vergrößern. Ein Wolkenkratzer hätte die Harmonie dieses hübschen Eckchens an der Madison Avenue zerstört. Was also tun? »Wenn man nicht aufsteigen kann, muss man absteigen«, schlug Renzo vor, der die Gabe hat, komplizierte Dinge einfach zu machen und die einfachen nicht zu verkomplizieren. »Der Geist des Projekts beruht nicht auf Wachstum, sondern auf einer Neugewichtung des Bestehenden.« Wenn ich nicht heterosexuell wäre, hätte ich mich längst in ihn verliebt. Tatsächlich liebe ich ihn, seit ich mich in Genua bei ihm vorgestellt habe. Damals studierte ich noch, und er hat mir die erste richtige Stelle angeboten und die Flucht aus Mailand ermöglicht. Mit dem Morgan-Library-Projekt hat er mich zum Partner von RPBW gemacht, und die Einzige, die sich nicht gefreut hat, war Sarah. Als sie hörte, dass wir aus Paris wegziehen würden (»es ist ja nicht für immer, Schatz, in ein paar Jahren kehren wir zurück«, sagte ich, um sie zu beruhigen), hatte sie soeben die Mittelschule hinter sich. Statt begeistert zu sein, schmollte sie wochenlang. Wie kann man es ihr verdenken? »Möchtest du, dass ich ihnen die
Beförderung und New York um die Ohren haue?« »Meine Klassenkameraden gehen alle aufs Richelieu, und in New York kenne ich niemanden. Du kannst mich nicht zwingen, mein Leben zu ändern«, jammerte sie und gab mir das Gefühl, ein schrecklicher Karrierist zu sein. Natürlich hat sie nicht die leiseste Ahnung, wer Kardinal Richelieu war, aber ich entriss ihr sämtliche mit den Jahren erworbenen Sicherheiten, die einen ängstlichen und introvertierten Menschen vor lähmenden Krisen bewahren. Zu sechzig Prozent fühle ich mich verantwortlich für sie (den Rest überlasse ich dem Zufall). Das erste halbe Jahr in Manhattan hat sie mich wie ein Monster behandelt, das ihr die Jugend versaut, dann kam mir Ricki zu Hilfe, der fünfzehnjährige Sohn eines Kollegen, der sich ihre Niedergeschlagenheit ernsthaft zu Herzen genommen hat. Mittlerweile sind sie unzertrennlich, und ich kann nur hoffen (ich bin nämlich wahnsinnig eifersüchtig), dass der picklige Junge nicht über einen rein freundschaftlichen Umgang hinausdenkt. Jetzt habe ich mich aber ausführlich über die Orte meines Lebens ausgebreitet. Für einen Architekten bedeuten sie alles.
    Bis bald, meine liebe Buchhändlerin
    Federico
     
     
    Am Abend vor jenem schicksalhaften 12. Oktober 2000 war ich mit dem Staubsauger noch in die letzte Ecke gekrochen (sinnloserweise, weil das Parkett blank wie eine Billardkugel war), hatte die Bücher nach Liebestypen sortiert und aufgestapelt, die Fenster geputzt und die Türklinken poliert. Um zwei Uhr morgens war ich endlich nach Hause gegangen – mit der festen Absicht, gleich einzuschlafen. Trotz der Tropfen lag ich jedoch wach, und die Angst schnürte mir die Kehle zu. Sie war zurück und lag mir wie feuchte Pappe über der Magengegend. Nicht einmal Gabriella
konnte ich um Hilfe bitten, weil sie die glorreiche Idee gehabt hatte, ausgerechnet in jenen Tagen zu einer Konferenz über die Kunst des Mittelalters nach Avignon zu fahren. Mein Stolz verbot es, mitten in der Nacht bei Alberto anzurufen. Mattia schlief bei seinem Vater.
    Ich war also allein mit meinen Alpträumen.
    Die Lösung war wie immer die Wanne. Wie in den besseren Filmen und in Dutzenden von Romanen hat die Liturgie der Entspannung ihre eigenen Regeln: Die Frau dreht den Wasserhahn auf, setzt sich auf den Wannenrand und konzentriert sich auf einen inneren Gedanken – den an den einzigen Mann nämlich, der sie einen Augenblick, einen Tag, eine Woche oder eine ganze Weile lang glücklich gemacht hat. Wenn das Wasser randvoll eingelaufen ist, lässt sie sich in den Schaum sinken und taucht ein in die köstliche Aura des Bades: Wärme, beschlagene Kacheln, Kerzen mit Vanilleduft. Nachdem sie sich noch zwei mit Kamille getränkte Baumwollpads auf die Augen gelegt hat, beginnt sie nachzudenken. Jeder kennt diese Szene aus dem Kino. In jener Nacht des 12. Oktober 2000 habe ich es genauso gemacht. Und wurde mit einem Mal so müde, dass ich einschlief.
    Das Erwachen war brutal. Das Wasser war kalt, das Kerzenwachs zu kleinen Skulpturen zusammengeschmolzen, und die Baumwollpads waren verschrumpelt wie trockene Blätter. Ich

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