Und in der Hölle mach ich weiter
sich mit Melissa unterhalten wollte. Dann wandte sie sich plötzlich an mich und fragte: »Entschuldige, wer bist du eigentlich?« Melissa mischte sich ein und meinte: »Das ist Tucker. Er war gestern zu besoffen, um seine Wohnung zu finden, also sind wir hierhergekommen.« Das Mädchen war scheinbar mit dieser Erklärung zufrieden. Die beiden unterhielten sich weiter, bis ich mich irgendwann einmischte, obwohl ich nicht angesprochen worden war. Da drehte sich Melissa zu mir um und flüsterte: »Psssst. Du kannst nicht sprechen. Du bist behindert.«
Dann ließ ich mir Melissas Handynummer geben und ging zu-rück zur Bude meines Cousins. Dort wechselte ich die Klamotten, und anschließend machten wir uns auf den Weg zur Pre-Game-Lacrosse-Party. Unterwegs hielten wir bei einem Schnapsladen, um was Hartes zu trinken zu kaufen. Mein Cousin blieb im Wagen und führte irgendein Handygespräch, ich aber ging in den Laden. Was als Nächstes passierte, beschrieb er später folgendermaßen:
»Ich wusste, dass es Ärger geben würde, als Tucker aus dem Laden kam und kicherte wie eine Zwölfjährige.«
Ich hatte Everclear gekauft, einen puren Kornschnaps mit 95 Prozent Alkohol. Auf der Flasche klebten drei deutliche Warnhinweise.
»Vorsicht! Leicht brennbar!«
»Vorsicht: Missbrauch kann der Gesundheit schaden!«
»Nicht für den unverdünnten Konsum vorgesehen!«
Für mich klang das eher wie eine Herausforderung.
Ich kaufte einen Liter Everclear, eine Flasche Gatorade, eine Dose Red Bull und goss alles in meine große Trinkflasche. Jetzt war ich bereit für alles.
Als wir beim Lacrosse-Haus ankamen, fing ich an, meine Everclear-Gatorade-Red-Bull-Mischung zu schlürfen. Später sollte ich sie »tödlicher Tucker-Mix« taufen. Es schmeckte wie eine Gettoromanze – einfach großartig.
Das Lacrosse-Haus liegt in einer belebten Ecke des Campus und hat eine große, umlaufende Veranda, auf der ich, mein Cousin, ein paar Lacrosse-Spieler und eine Handvoll Lacrossetituierte herumlungerten. Das einzige Problem war: Everclear macht mich nicht besoffen, es verwandelt mich in einen tobsüchtigen Wahnsinnigen. Es wirkt auf meine Hirnlappen wie eine Nagelpistole. Deshalb mutierte ich zum unberechenbaren Rumpelstilzchen, das wenige Taktgefühl, das ich besitze, verschwand komplett. Jeder noch so gemeine Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, wurde laut geäußert. Für ein Publikum von anfangs zehn Leuten machte ich mich über jeden lustig, der an der Veranda vorbeikam. Ich war zu besoffen – und bereits zu irre –, um mich später an alles zu erinnern, was ich da so gebrüllt hab. Hier nur ein paar Beispiele:
Zu einem hässlichen Typen: »Heilige Scheiße, sieht ja aus, als hätte Gott total versagt. Aber keine Sorge, du findest bestimmt irgendwann ein hässliches Mädchen, das dich liebt.«
Zu einer scharfen Tante: »Du hast echt tolle Titten. Die finden bestimmt einen Ehemann für dich. Wenn du sie nicht vorher ganz plattfickst!«
Zu einem Typen in einem orange-schwarz-weißen Overall (die Farben der UT): »OH MEIN GOTT! HAT DAS EIN BLINDER FÜR DICH AUSGESUCHT, DER DICH HASST? SCHAU DICH BLOSS AN! SCHAU DIR AN, WAS DU DA TRÄGST! DU GIBST DEM WORT › LANDEI-LOSER ‹ EINEN NEUEN SINN! DENK MAL ÜBER DEIN LEBEN NACH!«
Zu einem dicken, fetten Schwarzen mit Flechtfrisur: »FAT ALBERT [29] HAT LUDACRIS [30] GEFICKT, UND SIE BEKAMEN EINEN SOHN!«
Zu einem fetten weißen Typen in Arbeitshosen: »ACH NEE! HIER KOMMT DAS PILLSBURY [31] -KOMMANDO! ALL YOU CAN EAT?! DAS HAST DU JETZT DAVON!!! Hhhm, Steak oder Hühnchen, Steak oder Hühnchen? WARUM NICHT BEIDES? DAS ENDE ALLER ESSENSRESTE IST GEKOMMEN!«
Zu einer Frau mit Haaren, die so zerzaust waren, wie ich es noch nie gesehen hatte: »GROSSER GOTT! Wo lässt du denn deine Haare machen? Im Windkanal? Auf ’ nem Bombenabwurfgelände? Im › Ich hass mich selbst ‹ -Salon? Mensch, Oma, der Heroin-Chic-Look ist seit ein paar Jahren aus der Mode. Hast du eigentlich geschnallt, dass du hier unter Leuten bist?«
Zu einem Typen mit Vorne-kurz-hinten-lang-Frisur: »ICH DREH DURCH! Mein erster Vokuhila in Tennessee! LATSCH DOCH AUF EIN PAAR FRÖSCHE, UND LASS EIN BRECHEISEN AUF MEINER NASE RUMTANZEN! MAL MICH ROT AN, UND NAGEL MICH AN DIE SCHEUNE! KOMM, WIR SAUFEN WAS SCHWARZGEBRANNTES UND LEGEN EIN BISSCHEN FEUER! ES KANN LOSGEHEN!«
So ging das gute zwei Stunden lang. Ein Mädchen musste zweimal ins Haus, um ihre Mascara zu erneuern, weil die Tränen, die sie vor Lachen weinte, sie
Weitere Kostenlose Bücher