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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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gefunden würde. Wenn der Killer noch keine Gelegenheit gefunden hatte, es sich zurückzuholen, würde er oder sie das früher oder später versuchen. Also entschloß ich mich, das Ding da zu lassen. Der Plan würde nicht funktionieren, wenn Crip oder Crutch quatschten oder wenn einer der beiden der Killer war. Ich erinnerte mich, was Alex gesagt hatte, ehe er Crip zusammengeschlagen hatte: »Ich weiß, daß du es getan hast.« Verdammt, dachte ich. Jetzt mußte ich mich noch mal mit Alex treffen, um herauszufinden, was er gemeint hatte. Und das würde so angenehm werden wie eine Knochenmarkentnahme.
    Ich legte die tödliche Salami zurück in den Gefrierschrank und holte meinen Mantel und meine Tasche aus Crips Büro. Als ich in das Kasino zurückkam, goß Crutch gerade Johnny Walker in Crip hinein. Seine Nase und sein Kiefer waren so geschwollen wie bei einem Kugelfisch. Ich sagte: »Ich bin jetzt weg. Wenn der Mörder herausfindet, daß wir das Mordinstrument gefunden haben, könnten wir uns durchaus ebenfalls als Leichen wiederfinden. Ich bitte euch also beide, mir zu versprechen, daß ihr niemandem davon erzählt.«
    Sie nickten. Ich wußte, daß sie innerhalb der nächsten Stunde quatschen würden. Ich tätschelte Mama in meiner Handtasche, um mich zu beruhigen. Ich entschloß mich, einen Schwatz mit Strom zu halten. Ich wurde in viel zu viele verschiedene Richtungen gezerrt, und meine Geduld war zu Ende.
    Crip sagte: »Du kannst deinem Freund Alex Beaudine erzählen, daß Crip Beluga nicht schläft. Ich werde ihn finden, und wenn ich ihn habe, werde ich ihn ausstopfen wie ein Kalb mit zwei Köpfen.« Nicht, wenn ich dir damit zuvorkomme, dachte ich. Aber das wollte ich mir für später aufheben. Mein Magen grummelte. Ich hatte kein Abendbrot gegessen. Ich grub in meinen Taschen herum.
    »Ich brauche Geld.« Ich hatte mein Bündel Scheine zu Hause gelassen. Crip machte »Pah« und sagte Crutch, sie solle mir ihre Trinkgelder geben.
    Sie schaute ihn grollend an und sagte: »Du bist ein mieser Scheißkerl, mein Bärchen, aber ich hab’ dich trotzdem lieb.« Sie ging in Crips Büro und kam mit einem zusammengefalteten Zwanzigdollarschein wieder. Sie zwinkerte mir zu, als sie ihn rausrückte, was ich merkwürdig fand. Ich tat den Schein in meine Tasche und machte mich vom Acker. Nach Mitternacht ist es im East Village wie Spielstunde in der Klapsmühle. Bars quellen über vor lauter Schickeriatypen — unter ihnen Mutter-Erde-Kinder, Retro-Punks, Yuppies, die >Arme gucken< gehen, gequälte Künstler und Pseudo-Intellektuelle. Der Stil: Intensität. Die Mode: mindestens ein schwarzer Bekleidungsgegenstand pro Besucher. Die Stimmung: erwartungsvoll. Was ich immer schon daran geliebt habe, durch diesen Kiez zu spazieren, ist das Gefühl, daß alles mögliche passieren könnte — sei es nun eine Kugel im Kopf vom Streufeuer oder Liebe auf den ersten Blick. Nichts davon ist mir an jenem Mittwoch widerfahren. Auf der Suche nach einer Pizza stapfte ich tapfer an dem Wilde-Visionen-Kristallkugel-Laden, an dem Räucherstäbchenladen Aroma Arena, einigen Buden für Fesselungsaccessoires und mindestens vier italienischen Feinkostläden, in deren Schaufenster Blutwurstketten baumelten, vorbei. Den Hersteller der Killersalami ausfindig zu machen würde nicht ganz leicht werden.
    Tenth Street ist das Marihuanazentrum der Welt. Während ich an einer Ecke stand und darauf wartete, daß die Ampel grün würde, ging ein Kunde mit einer Mets -Baseballmütze auf einen der kolumbianischen Verkäufer zu, der sich vor seinem Häusereingang postiert hatte. »Hast du ’n Afghanen?« Der Dealer sagte ja (was er in jedem Fall tun würde, auch wenn er nur Oregano zu verkaufen hätte). Der Käufer verlangte zwei und reichte einen Zwanziger rüber. Der Dealer öffnete seine Mülltonne und nahm zwei Plastiktütchen, die er in den Deckel geklebt hatte. Mets schnupperte daran, um sicher zu sein, daß es auch wirklich ein »Afghane« war, nickte und machte sich in Richtung der Second Avenue auf. Die ganze Aktion dauerte genau zehn Sekunden, maximal. Ansonsten gingen die Sachen nicht so gut weg. Es schneite. Ich weiß nicht, seit wann schon — die Vorhänge im Outhouse hatten jedwede Aussicht auf die Straße verdeckt. Meine Füße waren klatschnaß, hohe Hacken bieten äußerst ungenügenden Schneeschutz. Ich hätte meine Gummistiefel anziehen sollen.
    Den Wagen hatte ich nicht sofort gesehen. Ein Berber auf einem Belüftungsrost flüsterte:

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