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Und jede Nacht ist Halloween

Und jede Nacht ist Halloween

Titel: Und jede Nacht ist Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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sich nicht mehr um, bevor er ging. Meine letzte Erinnerung ist dieser orangefarbene Klecks auf seinem weißen T-Shirt. Seitdem trifft mich die bloße Erwähnung des Wortes Tropicana-Nektar in der Magengegend wie eine Nadel in einer Voodoo-Puppe.
    Wie das Schicksal so spielt, trug Alex an dem Abend im Outhouse ein orangefarbenes T-Shirt. Ich müßte lügen, wenn ich behauptete, sein gewalttätiger Auftritt hätte mich nicht angeturnt. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er ging nach einer Zeit, die mir wie Stunden vorkam, die aber in Wirklichkeit eine halbe Sekunde war. Ich fing wieder an zu atmen, so gut es eben in meinem Mini ging. Jeder Tropfen Blut in meinem Körper raste in meinen Kopf. Alex zu sehen war schlimm genug. Zu hören, daß er Flushs Freund gewesen war, machte es noch schlimmer. Crip Beluga kauerte sich an die Bar. Crutch hatte sich entschlossen, Krankenschwester zu spielen, und hatte sich neben ihn hingekauert, um ihm ins Ohr zu gurren. Dann fing Crip an zu brüllen.
    »Der Schmerz, der Schmerz. Ich kann den Schmerz nicht ertragen!« Er benahm sich wie ein kleines Kind, das erst dann merkt, daß es sich weh getan hat, wenn seine Mami einen Wirbel darum macht.
    »Geh mir mal aus dem Weg«, sagte ich und schob Crutch beiseite. Sie fiel zurück auf den von der Natur dafür vorgesehenen Stoßdämpfer und versuchte, mir ihre lackierten Fingernägel in den Hals zu stechen. »Versuch das noch einmal, und du verspeist deine Bauchspeicheldrüse zum Abendbrot.« Sie zog sich zurück. Crip stöhnte. Sein Kiefer fing gerade schon an anzuschwellen. Ich legte meine Hände auf beide Seiten seines Gesichts, um zu sehen, ob er gebrochen war. War er nicht. Es würde ihm noch ein paar Tage lang weh tun, aber das war auch alles. Selbst auf dem Höhepunkt seiner Wut hatte Alex sich zurückgehalten. Er hätte Crips Kiefer auf alle Zeiten zerstören können. »Ich hoffe, du ißt gerne Suppe, Crip Baby.«
    »Ich werde blind. Ich kann nichts mehr sehen.«
    »Er ist an ungefähr fünfhundert Stellen gebrochen.« Na und — ich log.
    »Die Lichter, sie werden schwächer. Kann irgend jemand meine Hand halten?«
    »Die Ärzte werden deinen Mund wahrscheinlich für zwei, drei Jahre mit Drähten zubinden wollen.«
    »Göttchen, Göttchen, ich bin zu jung, um schon zu sterben.«
    Er delirierte. Was manche Leute so unternehmen, um ein bißchen Aufmerksamkeit zu erregen. Ich stand auf und sagte: »Ich ruf’ mal besser die Bullen«, was das Zimmer schneller räumte, als wenn ich »Feuer« gebrüllt hätte. Crutch, treu wie ein Jagdterrier, sprang auf, um meinen Platz an Crips Seite einzunehmen. Sie summte einen Zapfenstreich. Was für ein Trost.
    Ich ging hinter die Bar an den Eisschrank. Alles, was er in Wirklichkeit brauchte, war eine Eiskompresse. Ich öffnete den Gefrierteil. Zwischen zwei Zehn-Pfund-Tüten Eiswürfel war etwas gequetscht, das aussah wie ein roter Baseballschläger. Ich fummelte es heraus und sah, daß es nur eine gefrorene Salami von einem halben Meter Länge war. Mußte mindestens zwanzig Pfund wiegen. Warum irgendjemand auf die Idee kommen würde, eine Salami einzufrieren, überstieg meine intellektuellen Fähigkeiten. Sie klebte an meinen Händen, also nahm ich mir einen Lappen von der Bar, um sie zu halten. Bei genauerem Hinsehen bemerkte ich dunkelbraune Sommersprossen an der Spitze, die ich für getrocknetes Blut hielt, sowie einige schwarze Haare, die an der Eisschicht hingen. Endlich, seufzte ich. Ein Indiz.
    »Iiiiih«, kreischte Crutch, als sie es sah.
    Crip, mit flatternden Augenlidern, sagte: »Was zum verdammten Teufel ist das?«
    »Es ist, was wir hartgesottenen Typen ein stumpfes Objekt nennen. Beachten Sie bitte, wenn Sie so freundlich wären, die Haare — schwarz, wie die von jemandem, den wir kannten — , die hier am Ende angeklebt sind. Beachten Sie bitte auch, was Klümpchen von gefrorener Hirnmasse zu sein scheinen.«
    »Das muß es sein, womit Flush umgebracht wurde!« triumphierte Crip.
    »Bärchen, mein süßes, du bist so schlau!« schwärmte Crutch.
    »Ja«, sagte ich, »für einen Idioten ist er wirklich genial.« Ich hatte die Wahl: das Werkzeug der Blutnachricht zu Dick und Bucky mitnehmen, es zu Strom bringen oder es da lassen, wo ich es gefunden hatte. Der Killer könnte es mit Absicht dort gelassen haben, damit es gerade gefunden wird. Wenn es dann trotzdem niemand entdecken würde, würde er oder sie besondere Anstrengungen unternehmen, um sicherzugehen, daß es doch noch

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