Und jede Nacht ist Halloween
Drei Tage müßten wohl genug an Heilungszeit sein, dachte ich mir. Und außerdem hatte ich von zierlichen Handbewegungen die Schnauze gestrichen voll.
Dick wartete, genau wie er mir versprochen hatte, wobei seinen Schnäuzer ein Riesenflunsch umgab. Detective Tom »Bucky« Squirrely war nirgendwo zu sehen. Ich lächelte, als ich Dick sah, und sagte: »Wie, keine Blumen?«
»Unser Starzeuge hat gestern ein paar auf die Nase bekommen. Wir haben ihn mit gebrochenen Beinen im Tompkins Square Park unter einem Haufen Müll gefunden.« Tompkins Square war — in jeder Sorte Wetter — praktisch eine Kommune für obdachlose Junkies. Ungefähr vor einem Jahr oder so hatten die wohnungslosen Bewohner des Parks einen Aufstand inszeniert, der mit fünf Toten endete — und keiner davon war ein Bulle gewesen. Es wird gemurmelt, daß man nicht anders kann, als Blut und den Gestank von kokelnden Molotowcocktails zu riechen, wenn man irgendwo in die Nähe der Grenzen des Parks geht. Ich habe das nie bemerkt, allerdings bin ich niemals durch den Park gegangen. Es gibt Gegenden in Manhattan, die selbst mir angst machen.
Dick räusperte sich. Ich sagte: »Du sagst, er lag da mit gebrochenen Beinen. Man kann also annehmen, daß euer Zeuge ein Mann ist?«
»Schluß mit dem Scheiß, Schätzchen. Ich hab’ heute keine Zeit zu verschenken.«
»Welches Zimmer?«
»346. Er hat alle Schwestern mit seiner Nörgelei vertrieben.«
»Dieser Crip«, seufzte ich. »Man kann ihn wirklich nirgendwohin mitnehmen.« Dick zog seine Augenbrauen hoch. »Was«, fragte ich, »denkst du etwa, daß ich nicht auch meine Hausarbeiten mache?«
»Gut geraten.«
»Mit Raten hat das nichts zu tun, Plattfußbulle.« Ich log ja nur halb.
Dick zog eine Grimasse und fand ein zermanschtes Teilchen in seiner rückwärtigen Hosentasche. Er packte es aus der Plastikumhüllung aus und saugte die kremigen Innereien aus. Ein Tropfen Amaretto stieg in meinem Hals hoch, und er schmeckte nicht gerade süß. Dick hatte weiße Zuckerschmiere auf seinem Kinn, als er sagte: »Er will nicht mit uns reden. Ich sagte ihm, er könne sich selbst in den Arsch ficken; er kommt mit runter nach Downtown, wenn er’s nicht bald tut.«
»Man kann nicht viel weiter nach Downtown kommen als hier.« Beekman ist auf der Manhattan -Seite der Brooklyn Bridge direkt bei der City Hall. Smith Jones und ich waren praktisch drübergeflogen, als er mich nach meiner ersten Nacht mit Strom zurückgebracht hatte. Meine Wangen verfärbten sich mit der Erinnerung, und ich hustete wild, um es zu verbergen. »Nichts«, sagte ich. »Diese saubere Krankenhausluft zerstört noch meine Lunge.«
»Würg doch deine Eingeweide hoch, ist mir scheißegal. Solange du diesen Schwachsinnigen Beluga dazu kriegst, uns zu erzählen, wer ihn so zugerichtet hat.«
»Bittest du mich darum?«
»Du willst es doch selber auch wissen, oder nicht?«
»Aber du würdest lieber Backsteine scheißen, als mich da rein zu lassen.«
»Ich hab’ ja keine andere Wahl«, jammerte er. »Beluga hat nach dir gefragt.«
Ich lächelte selbstzufrieden. »Nun, dann ist dies ja«, sagte ich, »ein Tauschobjekt erster Güte, nicht wahr? Ich mach’ dir einen Vorschlag. Wir tauschen. Wir machen einen Deal.«
»Keine Chance, Süße. Ich trickse nicht mit irgendeinem Fräuleinschnüffelchen herum.«
»Erspar mir die farbenfrohe Ausdrucksweise, Dick. Ich will Informationen über Flush Royale, und ich will sie jetzt.«
»Hab’ nichts.«
»Bullshit.«
»Träger von Polizeiabzeichen lügen nicht.«
»Doppelter Bullshit.« Ich drehte mich um und tat so, als würde ich gehen.
»Was willst du also?« fragte er unhöflich.
»Das Medaillon.«
Er machte schmale Augen, versuchte herauszuhorchen, was ich schon wußte. Ich machte mein rotzigstes Pokerface und grinste. Er sagte: »Wir haben es nicht.«
»Wer hat es?«
»Du bringst mich um, Mallory.«
Ich wollte sehen, wie er sich wand. »Ich hab’ eine Verabredung zum Lunch.«
»Wir haben es Beluga gegeben, damit er sich erkundigt, und er ließ es sich von irgend jemandem wegnehmen.«
»Von demjenigen, der ihm die Knochen gebrochen hat.«
»Kann sein. So, laß uns loslegen. Tu das hier in deine Tasche.« Er schob einen Minikassettenrecorder in meine Hand. Er stieß damit gegen meinen kleinen Finger, und der Schmerz weckte in mir Zweifel, ob ich die Schiene nicht ein wenig voreilig abgenommen hatte.
»Nicht so schnell, mein Junge«, sagte ich. »Ich habe null über Flush
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