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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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zwei Wochen im Dienst und schon der erste ernst zu nehmende Fall. Ich hörte, Sie waren eben noch in der Pathologie, das hätte doch auch bis Dienstag Zeit gehabt. Haben Sie sich von der schlechten Luft erholt? Ich erlebe immer wieder, dass neue Kollegen dort umfallen wie die Fliegen.“ Er grinste sie gönnerhaft an und schob ihr eine Tasse Kaffee hinüber.
    „Ich bin keine Anfängerin. Das Wesentliche vergisst man nicht.“
    Anna konzentrierte sich nun ganz auf das Umrühren ihres Kaffees.
    Kuhns Mund, der vorher gelächelt hatte, presste sich zu einer schmalen Linie zusammen.
    „Na gut. Sie nehmen Dienstag früh an der Obduktion der Leiche teil, Weber wird sich um etwas anderes kümmern. Sie haben vielleicht doch noch einiges zu lernen, Frau Greve. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen. Ist schließlich Feiertag.“
    Martin Kuhn nahm seine Jacke aus dem Schrank und ging hinaus. In Gedanken befand er sich bereits auf dem Golfplatz.
    Weber sah seine Kollegin mitleidig an.
    „Wollen Sie einen Müsliriegel? Er ist mit Schokolade, Nervennahrung.“
    „Kann ich brauchen.“
    „Wenn der Chef etwas nicht leiden kann, dann sind das selbstbewusste Frauen.“
    Webers Lächeln wirkte ehrlich und freundlich, Anna Greve nickte nur.
    „Was sollen Sie denn Geheimnisvolles für Kuhn erledigen?“
    „Der Chef glaubt, die Tote zu kennen. Das heißt, eigentlich kennt er nur ihren Ehemann. Ich soll seine Vermutung überprüfen.“
    Anna fragte nach.
    „Ich darf jetzt noch nichts über die Identität der Frau sagen. Aber vielleicht sollten wir übermorgen Hand in Hand arbeiten, vier Augen sehen schließlich mehr als zwei. Ich warte, bis Sie fertig sind beim Leichenfledderer.“
    Sie blieb vorsichtig.
    „Ich rufe an, dann sehen wir weiter.“
    Blöde Kuh, dachte Weber. Immer musste sie ihn mit diesem abschätzigen Blick anschauen. Dabei schien sie selbst ja nicht gerade eine Leuchte zu sein. Wenig Fingerspitzengefühl, vor allem Kuhn gegenüber. Woher nahm Anna Greve eigentlich nur ihre Arroganz? Weber konnte, wenn er wollte, mit fast jedem auskommen, aber warum musste es ausgerechnet diese Zicke sein?
    Um halb neun am Tag nach Pfingsten betrat Anna Greve die Gerichtsmedizin. Es war noch niemand da. Der Sektionsraum 1 blitzend sauber, aufgeräumt wie ein Schlachthaus am Wochenende. Sie betrachtete den metallenen Tisch und stellte sich vor, wie hier bald die Tote liegen würde. Sah den Duschkopf, mit dem ein Student im Praktikum das Blut vom Tisch spritzen würde. Sie stellte sich den mit Haken auseinandergehaltenen Bauch der Frau vor und die Fettschichten, die unter der aufgeschnittenen Haut gelblich hervorquellen würden. Drei Körperhöhlen hatte ein Mensch. Zuerst würde der Arzt ihre Kopfhöhle öffnen, das Hirn entnehmen und in eine der silbernen Schalen legen. Dann würde die Brusthöhle an die Reihe kommen. Er würde das Skalpell direkt unterhalb des Kinns ansetzen, einen geraden Schnitt machen, Herz und Lunge herausnehmen und untersuchen. Wegen des üblen Gestanks von Fäulnis und Verdauung würde er die Bauchhöhle zuletzt öffnen. Anna Greve nahm sich ein Pfefferminzbonbon aus der Jackentasche und genoss seine frische Schärfe. Wie konnte ein Mensch nur auf die Idee kommen, Pathologe zu werden?
    Dann schon eher in der Spurensicherung arbeiten. Da hatte man es wenigstens nur mit der äußerlichen Untersuchung der Toten, vor allem aber mit dem Fundort zu tun. Hier arbeitete man mit Kameras, Gips und Plastiktüten. Jede Faser an der Kleidung des Toten, jeder Rest Vogelkot oder ein Insektenteil, sogar das Blatt einer Pflanze unter seinen Schuhsohlen konnte Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort vor der Tat zulassen und musste aufgezeichnet werden. Das war sicherlich oft eine Sisyphusarbeit, aber man war nicht gezwungen, die Würde des Toten zu missachten. Ein Rechtsmediziner reduzierte den Menschen auf die Beschaffenheit seiner Organe, die er nach der Sektion wahllos in die Bauchhöhle zurückwarf, anstatt die innere Ordnung des Körpers wiederherzustellen. Anna hatte bisher noch nie mit einem Leichenschnippler zu tun gehabt, der ihr sympathisch war.
    Jetzt kam ein Mann im grünen Arztkittel in den Obduktionssaal, der gerade herzhaft in ein Butterbrot biss.
    „Anna Greve, hallo, Sie sind doch Dr. Severin?“
    „Ja, guten Morgen, Frau Greve.“ Er schüttelte ihr kräftig die Hand. „Ich habe schon von Ihnen gehört.“
    „Ich hoffe, nur Positives.“ Sie betrachtete ihn neugierig.
    „Wie sagt man doch? Neue Besen

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