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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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schönen Pfingstrosen. Da, sehen Sie, alles umgeknickt.“
    Beim Anblick ihrer Blumen war sie den Tränen nahe.
    „Frau Wegert, wir haben einen Mord aufzuklären.“
    „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass mir nichts aufgefallen ist. Und jetzt habe ich beim besten Willen keine Zeit mehr, tut mir leid.“
    Dora Wegert war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Es klebte kein Blut auf ihrem Teppich, also ging sie zur Tagesordnung über. Manchmal war es besser, die Dinge vorerst auf sich beruhen zu lassen. Anna gab ihr eine ihrer nagelneuen Visitenkarten.
    „Hier, sollte Ihnen noch etwas einfallen, rufen Sie mich doch bitte einfach an.“
    Sie stieg in ihren dunkelgrünen Opel Vectra und fuhr zur Gerichtsmedizin. Die Obduktion würde frühestens am Dienstag stattfinden. Vielleicht gelang es ihr, vorher einen Blick auf die Tote zu werfen. Sie hatte Glück, denn die Bereitschaft ließ sie, nachdem sie sich ausgewiesen hatte, herein. Anna Greve war seit Jahren nicht mehr in einer rechtsmedizinischen Abteilung gewesen, und sofort stach ihr der scharfe Geruch von Desinfektionsmitteln in die Nase. Im Unterschied zur Pathologie wurden in die Rechtsmedizin nur solche Toten eingeliefert, die entweder sehr plötzlich oder aber an keiner natürlichen Ursache verstorben waren. Der Anblick der sterilen Räume mit ihren Kühlfächern und Seziertischen bereitete der Kommissarin Unbehagen. In einer Ecke stand ein Zinksarg, Anna öffnete ihn und schaute hinein. Der an der Kleidung der Leiche angebrachte Zettel zeigte ihr, dass sie richtig war. Die Tote war Mitte fünfzig und wohlgenährt gewesen. Sie hatte dünnes, graublondes Haar, das kinnlang geschnitten war und sich fettig um ihren Kopf legte. In ihrem Gesicht zeigten sich die ersten Spuren der Verwüstung durch das Alter und die feinen Äderchen auf ihren Wangen deuteten auf ein schlechtes Bindegewebe oder den übermäßigen Genuss von Alkohol hin.
    Am kleinen Finger der linken Hand fehlten zwei Glieder. Die Frau dürfte sich seit vielen Tagen nicht gewaschen haben, denn sie stank erbärmlich. Ihre Fingernägel mit den entzündeten Nagelbetten waren allesamt abgebrochen und schmutzverkrustet. Auf den ersten Blick wirkte sie wie eine Stadtstreicherin, und doch, irgendetwas war hier verkehrt. Anna drehte den Pulloverkragen der Toten um und entdeckte das Etikett eines exklusiven italienischen Designers. Der Pullover sah außerdem ziemlich modisch aus, nicht gerade wie ein zufällig gemachtes Schnäppchen aus einem Altkleidersack. Als sie die anderen Kleidungsstücke untersuchte, fand sie weitere teure Firmenlabel. Die Tote vor ihr im Zinksarg schien eine reiche Frau gewesen zu sein, vielleicht eine Alkoholikerin, die im Delirium durch die Stadt geirrt und an die falschen Leute geraten war. Anna überlegte. Sie könnte allerdings auch das Opfer einer Entführung geworden sein. Doch wenn das der Fall war, warum vermisste sie dann niemand?
    Wenn ich die Uhr doch nur zurückdrehen könnte, ich würde es auf der Stelle tun. Ich bin so dumm gewesen, ja, ich wollte nur zu gern glauben, dass du mich liebst. Besser hätte ich meine Hände um deinen Hals legen und zudrücken sollen, bis du endlich den Mund hältst. Ist es dir wirklich unmöglich gewesen, zumindest ab und zu so zu tun, als sei alles genau, wie es sein sollte? Immer wollen wir nur sehen, was uns in den Kram passt. Ich habe deine Launen ertragen und dein Desinteresse, getan, was ich konnte, damit es uns gut geht. Zum Dank hast du mich lächerlich gemacht, von Anfang an mit falschen Karten gespielt. Wir haben nie eine Chance gehabt miteinander. Warum hast du mich verraten?
    Wieder in der Dienststelle führte Annas erster Weg zum Büro der Sekretärin Antonia Schenkenberg.
    „Gibt es etwas Neues, vielleicht eine Vermisstenanzeige, deren Beschreibung auf die unbekannte Tote passt?“
    „Nein, tut mir leid. Im Moment konnte ich nichts finden. Bin auch gleich weg, ich hab heute eigentlich überhaupt keinen Dienst.“
    „Danke. Frohe Pfingsten.“
    Sie kam an der geöffneten Tür ihres Chefs, Martin Kuhn, vorbei. Weber saß gekrümmt vor Kuhns Schreibtisch, einen Notizblock auf den Knien, und schrieb eifrig mit, was ihm der Chef diktierte. Im gleichen Moment schaute Kuhn hoch und winkte sie herein.
    „Ah, da ist ja unsere Frau Greve, wir haben gerade von Ihnen gesprochen.“
    Martin Kuhn erhob sich aus seinem rotledernen Schreibtischsessel und stellte sich so dicht vor sie hin, dass sie seinen schlechten Atem roch.
    „Kaum

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